Das Paradox des Seitensprungs
Es scheint nichts Zwischenmenschliches zu geben, wofür sich Soziologen nicht interessierten. Oder wofür es keine Daten gäbe. Zum Beispiel die Frage, warum sich Menschen in Paarbeziehungen auf „extradyadische sexuelle Aktivitäten“ einlassen, vulgo: warum sie ihren Partner betrügen. Der Seitensprung, haben die Münchener Soziologinnen Christiane Bozoyan und Claudia Schmiedeberg jetzt herausgefunden, steht im Gegensatz zum eigentlichen Ausschließlichkeitsgebot der meisten Intimbeziehungen – und ist dennoch gang und gäbe. Etwa vierzig Prozent der Deutschen seien wohl schon einmal fremdgegangen, und das bei einer vermutlich hohen „Dunkelziffer“. Allerdings teilen die Sozialforscherinnen das Schicksal der betrogenen Beziehungspartner: Die Untreuen verbergen ihre Untreue beiden gegenüber, man redet einfach nicht darüber.
Trotz der dementsprechenden Datenbeschaffungsschwierigkeiten sind Bozoyan und Schmiedeberg tatsächlich das Wagnis eingegangen, den Seitensprung aus der Dunkelzone des Heimlichen ins helle Licht der Soziologie zu zerren. Nach wie vor seien die tatsächlichen Ursachen für eheliche Untreue unbekannt: Ist es Unzufriedenheit mit der Beziehung? Oder eher der Reiz des Unbekannten? Legt man einfach Querschnittsbefragungen nebeneinander, stellt sich außerdem ein methodisches Problem, so kann die Unzufriedenheit in einer Beziehung sowohl Grund sein für einen Seitensprung als auch die Folge eines solchen. Ohne die entsprechenden Längsschnittdaten lässt sich Untreue also gar nicht verstehen.
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