Ganz unten, ganz vorn
Ulm Hauptbahnhof, 1. September 2017. Vierzehn Männer und eine Frau beginnen eine zehnmonatige Ausbildung zum Triebwagenführer. Alle sind Quereinsteiger, sie werden von einem Ausbilder der Deutschen Bahn begrüßt. Ein Geschäftsführer der Bahn-Tochter Regionalverkehr Alb-Bodensee, bei der die Neuen unter Vertrag sind, sagt: „Wir sind froh, dass Sie da sind.“ Die Bahn beschäftigt achtzehntausend Lokführer, zuletzt gab es jedes Jahr Hunderte unbesetzte Stellen. Einer der neuen Bewerber ist Richard Mielsch*, dem man auf den ersten Blick seine achtundfünfzig Jahre nicht ansieht, ein sympathischer Hüne. Als der Ausbilder in seine Liste schaut, sagt er: „Da haben Sie sich aber was vorgenommen, Sie sind ja älter als ich.“
Mielsch ist nicht nur der älteste Teilnehmer, er hat eine Laufbahn hinter sich. Der studierte Diplom-Ingenieur hat dreißig Jahre für ein amerikanisches Großunternehmen der IT-Branche gearbeitet und dort im Vertrieb gutes Geld verdient. Als man ihm sein Jahresgehalt kürzen will, weil er nach Ansicht der Firma seiner Betriebsratstätigkeit zu viel Zeit geopfert hatte, verhandelt er einen Ausstiegsvertrag. In der Phase der Neuorientierung streift ihn ein Blitz aus Kindheit und Jugend: Lokführer, das ist immer sein Traum gewesen. Der geliebte Opa war Lokführer gewesen. Aber sein Enkel weiß auch, dass der Großvater SA-Mitglied und fanatischer Nationalsozialist war und dass er im „Dritten Reich“ nicht nur Kohle und Waffen befördert hat.
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