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Kein „erheblicher Vorschub“?

Hohenzollern-Chef: Kronprinz hat zeitweise mit Nazis sympathisiert

09.03.2023
, 13:45
Georg Friedrich Prinz von Preußen bei der Vorstellung des Buches „Der Kronprinz und die Nazis – Hohenzollerns blinder Fleck“ im August 2021 Bild: dpa
Zeitweilige Sympathien seines Urgroßvaters Wilhelm Kronprinz von Preußen sieht sein Urenkel, der jetzige Hohenzollernchef, gegeben. Doch was heißt das? Und was sagen die Historiker?

Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen sieht zeitweilige Sympathien seines Urgroßvaters Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882–1951) für die Nationalsozialisten, mehr aber nicht. „Auch wenn ich selbst weder Historiker noch Jurist bin, lässt sich aus meiner Sicht nicht nachweisen, dass mein Urgroßvater dem Regime erheblichen Vorschub geleistet hat, selbst wenn er dies vielleicht gewollt hätte“, sagte der 46-Jährige am Donnerstag in Berlin. „Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert hatte.“ Mit Blick auf die Familiengeschichte sagte von Preußen: „Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus sein.“

Die Frage ist wichtig

Die Frage nach dem Verhalten von Wilhelm Kronprinz von Preußen ist wichtig im jahrelangen Streit um Entschädigung in Millionenhöhe zwischen der öffentlichen Hand und den Nachfahren des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859–1941). Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Nach dem Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System „erheblichen Vorschub geleistet hat“.

Von Preußen verwies auf ungeklärte Eigentumsverhältnisse von Kunstwerken und Objekten, die abschließend geregelt werden sollten. „Für die Zuordnung von 4000 dieser mehr als 10.000 Objekte ist das Handeln meines 1951 verstorbenen Urgroßvaters relevant“, sagte von Preußen. Er habe entschieden, auf die Rückgabe von jenen 4000 Kunstwerken und damit verbundene Entschädigungen zu verzichten. „Damit möchte ich den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert.“

Zwei Klagen zurückgezogen

Zwei Klagen gegen die öffentliche Hand um Entschädigung in Millionenhöhe hat von Preußen indes zurückgezogen. Das bestätigte der 46-Jährige am Donnerstag in Berlin. Von Seiten des zuständigen Verwaltungsgerichts in Potsdam lag dafür weiter keine Bestätigung vor. „Aber Sie können davon ausgehen, dass ich auch dazu stehe“, sagte von Preußen am Rande einer Historikerdiskussion um die Rolle seiner Familie im Nationalsozialismus.

Die 2014 mit den Ländern Brandenburg und Berlin begonnenen Gespräch über die Rückgabe von Kunstwerken und Entschädigungen ruhen, seit Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Brandenburg hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen hatten die Hohenzollern geklagt. Es geht um 1,2 Millionen Euro.

In der zweiten Klage geht es unter anderem um Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Cecilienhof in Potsdam. Auch in diesem Fall hatte das Land eine Entschädigung mit derselben Begründung abgelehnt.

„Kulturerbe für die Öffentlichkeit erhalten“

Es bleibe sein Ziel, das Kunst- und Kulturerbe dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten, sagte von Preußen. „Daher bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, auch Lösungen für die übrigen Kunstwerke zu finden, deren rechtliche Zuordnung nicht von der historischen Rolle meines Urgroßvaters abhängig ist.“ Von Seiten des Bundes und Brandenburgs war der angekündigte Verzicht auf die Klagen bereits als positives Zeichen für Gespräche gewertet worden.

Die von ihm organisierte Historikerdebatte bezeichnete von Preußen als Beitrag „zur Aufarbeitung unserer wechselvollen Familiengeschichte im 20. Jahrhundert“. Dabei erneuerte der Historiker Lothar Machtan seine Einschätzung. „Der ehemalige Kronprinz war politisch unfähig, dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub zu leisten, obwohl er das punktuell sogar gewollt hat“, sagte der Professor an der Universität Bremen. „Ihm fehlte die real existierende Möglichkeit, nennenswerten Einfluss auf politische Meinungsbildungsprozesse zu nehmen.“

Der Historiker Peter Brandt, dessen Gutachten eine Grundlage für die Haltung Brandenburgs war, schrieb dem Kronprinzen „nach wie vor“ eine Rolle zu, dem NS-System erheblichen Vorschub geleistet zu haben. Eine ähnliche Position vertreten auch zahlreiche andere Historikerinnen und Historiker.

Quelle: FAZ.NET/dpa
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