Der Autist als „neuer Mensch“ der Zukunft

Nicht ohne Asperger: Anfang Februar 2019 steht Greta Thunberg im Stockholmer Schneegestöber und gibt dem ZDF ein Video- Interview. Die Journalistin stellt Fragen zu Thunbergs 16 Jahren, will wissen, wie sie zur Umweltaktivistin wurde und was man jetzt bitte gegen die Erderwärmung tun müsse. Es geht um Thunberg-Themen und Thunberg als Thema. Dazu zählt auch ein Satz von ihr, den man zum Titel des Interviews gemacht hat: „Ohne Asperger wäre das hier nicht möglich“. Mit „das hier“ meint sie ihre Proteste für den Klimaschutz, denen sich seit dem vorletzten Sommer Millionen von Menschen angeschlossen haben. Mit „Asperger“ meint sie das Asperger-Syndrom, das man ihr im Alter von elf Jahren diagnostiziert hat. Es gilt als Variante des Autismus oder als eng mit ihm verwandt. ‚Asperger‘ ist wie ‚Klimakrise‘ ein Thunberg- Buzzword, gehört zum ‚Phänomen‘ namens „Greta“. Auf Facebook präsentiert Thunberg sich als „Climate Activist with Asperger’s“. Sie ist öffentliche Person und öffentliche Autistin.
Thunberg hält das Syndrom für die Wurzel ihres Erfolges. Es verleihe ihr einen besonderen Blick. „Ich sehe die Welt in anderer Weise“: von außen und in „Schwarzweiß“. Klar und ungeschönt. Diese Sicht brauche es beim Klima, denn da seien die Dinge schwarz und weiß. Einerseits die drohende Katastrophe, andererseits unsere Möglichkeiten, sie noch aufzuhalten. Null oder eins. Ohne Autismus, das klingt hier an, verliere man sich und schlimmstenfalls den ganzen Planeten in Graustufen, nuancierten Abwägungen und weichzeichnenden Kompromissen. Und man verhake sich in zeitaufwendigen Nahbeziehungen.
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