Nicht alle Opfer wollen Helden sein

Es ist kein Verdienst, ein totes Kind zu haben“, hat Samuel Sandler der Boulevardzeitung Le Parisien gesagt. Lieber würde er schweigen, doch er muss widerwillig eine Rolle im französischen Wahlkampf spielen. Eric Zemmour, der rechtsextreme Journalist und mögliche künftige Präsidentschaftskandidat, hat ihm keine andere Wahl gelassen. Er sei „mehr Jude als Franzose“, lautete Zemmours Vorwurf: Weil Sandlers Sohn Jonathan und die beiden Enkel Arié und Gabriel in Jerusalem begraben wurden. Sie waren 2012 in einer jüdischen Schule in Toulouse von dem islamistischen Terroristen Mohamed Merah erschossen worden. Merah ist in Frankreich jedem bekannt, für einige ist er sogar ein Held. Der Name Sandler hingegen war jahrelang das Symbol der vergessenen Opfer.
Zwischen den Toten und ihrem Mörder, den die Familie in Algerien bestatten wollte, macht Zemmour eine verstiegene Analogie aus: „Ob Mörder oder Unschuldige, Henker oder Unschuldige: sie entscheiden sich nicht für Frankreich, sie sind in erster Linie Fremde und wollen es über den Tod hinaus bleiben.“ Auf diesem Niveau argumentierte der faschistische Dichter Charles Maurras während der Dreyfus-Affäre. Zemmour will Vichy rehabilitieren: Pétain habe die „französischen Juden“ beschützt. Es wäre ihm, erwiderte Sandler in Le Monde, auch lieber, seiner Angehörigen auf französischen Friedhöfen gedenken zu können. In den Vernichtungslagern gab es für sie kein Begräbnis.
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