Mythologie des Sieges

Am Morgen des 24. Februar 2022 setzte die Leitung des Museums Berlin-Karlshorst ein starkes Zeichen: Das Adjektiv „Deutsch-Russisches“ wurde am Eingang und auf der Website durchgestrichen. Das hatte wesentlich damit zu tun, dass in dem Museum am historischen Ort der Unterzeichnung der Kapitulation des NS-Reichs in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 eine Aufarbeitung der deutsch-russischen Beziehungen geleistet wird, die auch die Ukraine (und Belarus) einbezogen hat. Sie hatten die Lasten und Folgen des deutschen Vernichtungskriegs im Osten ebenso zu tragen wie andere Völker der Sowjetunion, und ihre Soldaten waren an der Befreiung Europas vom Faschismus maßgeblich beteiligt.
Was den Charakter dieser Befreiung betrifft, unterblieb ein anderes starkes Zeichen, das eine CDU-Abgeordnete vom Berliner Senat gefordert hatte: die Entfernung des Panzers der sowjetischen Armee vom Ehrenmal am Berliner Tiergarten, für sie ein Symbol der „aggressiven und territoriale Grenzen und Menschenleben missachtenden Kriegsführung des Putin-Regimes“. Die für die Pflege der sowjetischen Ehrenmale zuständige Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) lehnte diesen demonstrativen Akt ab; es gehe hier um das Gedenken der Toten des Zweiten Weltkriegs „aufseiten der Roten Armee“, in der „Soldaten vieler Nationalitäten der Sowjetunion, darunter etliche russische und ukrainische, im Kampf gegen das Nazi-Regime starben“. Die Reaktion der Berliner Bevölkerung in den sozialen Medien war gespalten: Die einen empfanden den CDU-Vorstoß als geschmacklos und unhistorisch, die anderen störten sich schon lange und jetzt erst recht an einem auf sie gerichteten Panzerrohr.
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