Der Prüfstein des Anstoßes

Kann eine Religionsgemeinschaft ihren Fortbestand auch dann sichern, wenn ein von ihr datierter Weltuntergang ausbleibt? So fragten die Richter des Bundesverfassungsgerichts vor zwanzig Jahren im Blick auf die Zeugen Jehovas und ihren Antrag, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden. In seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 erwog der Zweite Senat das Risiko für Jehovas Zeugen, bei Fehlprognosen des Weltuntergangs ihre Anhänger zu verlieren und damit das für die öffentlich-rechtliche Anerkennung wichtige Kriterium einer „Gewähr der Dauer“ nicht erfüllen zu können: „Dadurch könnten enttäuschte Mitglieder zum Austritt veranlasst und so der Fortbestand der Religionsgemeinschaft möglicherweise gefährdet werden.“
Das Risiko sei kalkulierbar, so die Richter. Wie die Geschichte dieser Religionsgemeinschaft zeige, erhalte sich ihr Mitgliederbestand unbeeindruckt von Fehlprognosen. Ein Schwund sei, aufs Ganze gesehen, nicht eingetreten, obwohl von diesen eschatologisch fixierten, um die Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Erwachet!“ gruppierten Bibelforschern mehrfach konkret berechnete Weltuntergänge ausgefallen sind.
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