Eine Unverschämtheit, die keiner bemerkte

Dass dieses Deutschland aus der Sicht eines indonesischen Künstlerkollektivs ein seltsames und exotisches Land sei, eine Weltprovinz, deren kulturelle Eigenarten erst nach langen und ausführlichen völkerkundlichen Studien einigermaßen verständlich würden: Das ist die Perspektivenverschiebung, an deren produktive Kraft offenbar all jene glaubten, die der Gruppe Ruangrupa die künstlerische Leitung der fünfzehnten Documenta anvertrauten.
Dass aber zu den provinziellen und von außen kaum verständlichen kulturellen Traditionen dieses Landes auch das Antisemitismus-Tabu, das Verbot der Volksverhetzung und die Unmöglichkeit, Juden als Schweine oder Blutsauger darzustellen, gehörten: Das ist das Missverständnis, das immer wieder artikuliert wird, seit zum ersten Mal die Vermutung geäußert wurde, dass die Kuratoren der Documenta etwas gegen den Staat Israel und die Juden haben könnten. Einen „diskursiven Reinigungsfuror“ hat die Schriftstellerin Eva Menasse in diesen Tagen all den deutschen „Anti-Antisemiten“ bescheinigt, all denen also, die den Leuten, die antisemitische Karikaturen aufhängen, bescheinigen, dass sie dann wohl Antisemiten sein müssten.
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