Telefoniert wurde im Kleiderschrank

Im Großen Speisesaal erkennt man augenblicklich, an welchem Platz der letzte deutsche Kaiser saß. Nicht etwa, weil sich sein Stuhl an der Tafel von den andern schlichten Holzstühlen unterscheiden würde. Es ist vielmehr eine Silbergabel mit nur drei Zinken, deren eine scharf geschliffen ist wie ein Messer, die auf Wilhelm II. verweist. Die Sonderanfertigung, angeblich eine Idee seiner Mutter, Kaiserin Friedrich, sollte dem Sohn, dessen Arm gelähmt war, das Essen erleichtern.
Gut zehn Jahre dauerte die aufwendige, zehn Millionen Euro teure Sanierung und Restaurierung des sogenannten Königsflügels im Homburger Schloss, der Ende des siebzehnten Jahrhundert entstand und immer wieder umgebaut wurde. Von Mittwoch an ist diese einzige noch erhaltene kaiserliche Wohnung unter den ehemals gut achtzig Schlössern und Burgen der Hohenzollern wieder zugänglich. Vor allem dank der ausgezeichneten Quellenlage konnten die Wohn- und Gesellschaftsräume auf gut tausend Quadratmetern in ihren authentischen Zustand zurückversetzt werden. Dabei wurde mit Legenden ebenso aufgeräumt wie mit Fehlausstattungen. Nicht nur sind Schlossführungen bei Kerzenschein fortan passé in Räumlichkeiten, die der Techniknarr Wilhelm II. mit Elektroleitungen und Porzellanlichtschalter ausstatten ließ. Auch im klassizistisch anmutenden, gelb bespannten Speisesaal haben die Restauratoren Authentizität vor falschen Glanz gesetzt.
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