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Neue Digitalwährung

Die EZB macht den Weg frei für den digitalen Euro

Von Christian Siedenbiedel
14.07.2021
, 13:47
Etwa fünf Jahre veranschlagt die EZB für den digitalen Euro. Bild: dpa
Der EZB-Rat hat entschieden: Aus den vagen Plänen für eine neue Digitalwährung soll das Großprojekt des digitalen Euro werden. Unter Europas Notenbankern waren die Meinungen dazu durchaus unterschiedlich.

Die Europäische Zentralbank (EZB) macht den Weg frei für den digitalen Euro. Wie die Notenbank am Mittwoch mitteilte, hat der EZB-Rat, das oberste geldpolitische Gremium der Eurozone, den vorläufigen Plänen zugestimmt. Die Politik auf europäischer und nationaler Ebene hatte schon zuvor ihre Unterstützung signalisiert.

„Es ist neun Monate her, dass wir unseren Bericht über einen digitalen Euro veröffentlicht haben. In dieser Zeit haben wir weitere Analysen durchgeführt, Beiträge von Bürgern und Fachleuten eingeholt und einige Experimente durchgeführt – mit ermutigenden Ergebnissen“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. „All dies hat uns zu der Entscheidung veranlasst, einen Gang höher zu schalten und das Projekt des digitalen Euro zu starten“, so Lagarde. „Mit unserer Arbeit wollen wir sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen auch im digitalen Zeitalter Zugang zur sichersten Form des Geldes, dem Zentralbankgeld, haben.“

Die Vorbereitungen sollen jetzt in eine zwei Jahre dauernde Untersuchungsphase treten, auf die dann nochmal eine drei Jahre dauernde Testphase folgen soll. In dieser ganzen Zeit werde man eng mit den politischen Institutionen in Europa zusammenarbeiten, hieß es. In etwa fünf Jahren, so hat es Lagarde vorgegeben, könnte der digitale Euro eingeführt werden. Die Notenbank will damit einerseits auf die Pläne anderer Staaten wie China reagieren, die ihrerseits Digitalwährungen einführen wollen, andererseits will sie aber auch privaten Digitalwährungen wie Bitcoin und Facebooks Diem nicht das Feld überlassen.

Bürger sollen voraussichtlich von den Banken „Wallets“ genannte digitale Brieftaschen oder Apps bekommen, auf denen sie digitale Euro speichern können. Über alle diese Details hat die Notenbank noch nicht entschieden, aber es sickerten immer wieder Informationen nach außen. So tendiert die EZB dazu, keine Blockchain zu verwenden, wie sie bei Bitcoin im Einsatz ist. Eher könnte das bestehende Echtzeit-Überweisungssystem Tips aus Italien die technische Grundlage bieten. Ökonomen hatten bereits gewarnt, man solle die Ansprüche an die neue Digitalwährung aber nicht so weit herunterschrauben, dass daraus nur „ein zweites Paypal“ werde.

Digitaleuro soll sicherer und günstiger sein

Der Vorteil für die Verbraucher soll sein, dass sie „digitales Zentralbankgeld“ bekommen, das wie Bargeld direkt eine Forderung gegen die Notenbank darstellt. Geht die Hausbank pleite, wäre der digitale Euro sicher. Damit nun aber gerade in Ländern mit schwachen Bankensystemen nicht alle Leute ihr Geld bei der Bank abheben und in digitale Euro tauschen, soll es wohl Obergrenzen geben, wie viele digitale Euro jeder auf seiner Wallet halten darf. In einem Papier des EZB-Fachmanns Ulrich Bindseil tauchte dafür eine mögliche Obergrenze von 3000 Euro auf. Übersteigen die Beträge auf einer Wallet diese Grenze, soll das Geld auf ein Bankkonto abfließen. Zudem sollen gerade kleine Zahlungen im Internet mit dem Digitaleuro günstiger sein als bislang.

Im EZB-Rat war der digitaler Euro anfangs nicht unumstritten. Vor allem die Franzosen trieb die Sorge um, eine Digitalwährung amerikanischer Unternehmen wie Facebook könnte Europas Währungsinstitutionen entmachten. Dem wollten sie lieber heute als morgen eine europäische Notenbank-Antwort entgegenstellen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann dagegen hatte mehrfach gemahnt, in dieser Frage gehe Sicherheit vor Schnelligkeit. Außerdem hatte er den ordnungspolitischen Gedanken ins Spiel gebracht, dass die Notenbank private Initiativen auf dem Gebiet des digitalen Bezahlen nicht im Keim ersticken dürfe. Zudem müssten die Auswirkungen auf das Bankensystem sorgfältig geprüft werden.

Auch unter Bürgern und Finanzfachleuten in den Banken ist der digitale Euro keineswegs unumstritten. In einer öffentlichen Konsultation der EZB, bei der rund 8000 Bürger sich äußerten, war vor allem das Thema Anonymität hervorgehoben worden. Die Menschen machten sich Sorgen, ob mit dem digitalen Euro alle Geldbewegungen amtlicherseits nachvollzogen werden könnten. Die EZB hat zwar versichert, das Bargeld solle nicht abgeschafft werden, wenn der Digitaleuro komme. Aber mögliche Verdrängungen im Geschäftsalltag kann sie natürlich nicht ausschließen. Bislang drang aus der EZB nach außen, einen vollkommen anonymen digitalen Euro werde es nicht geben. Die Notenbank will verhindern, dass die neue Digitalwährung verstärkt für Geldwäsche und illegale Geschäfte genutzt wird. Guido Zimmermann, Ökonom der Bank LBBW, argumentiert, auch bislang schon sei der Zahlungsverkehr ja nicht vollkommen anonym: „Wer mit Bargeld beim Bäcker bezahlt, wird ja auch vom Bäcker gesehen, und selbst bei eBay wollen die Leute einen Beleg, dass sie bezahlt haben, um notfalls Geld zurückfordern zu können.“

Durchaus umstritten unter Bürgern und Bankern

Der Bankendachverband „Deutsche Kreditwirtschaft“ hatte sich zuletzt recht positiv über den digitalen Euro geäußert und dabei vor allem seine politische Funktion für die Wahrung der monetären Souveränität der Eurozone hervorgehoben. Kritischer war zuvor ein Research-Papier der Deutschen Bank ausgefallen, in dem vor einem möglichen Scheitern der Digitalwährung gewarnt wurde, falls die Bürger nicht ausreichend praktische Vorteile im Digitaleuro sähen. Analystin Heike Mai hatte geschrieben: „Insgesamt dürfte der digitale Euro, so wie er jetzt diskutiert wird, eher ein Nischenprodukt im unbaren Zahlungsverkehrsmarkt werden.“ Auch Agustín Carstens von der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hatte zuvor schon die Frage gestellt, wie viel der digitale Euro für Verbraucher tatsächlich bringe und ob man ihn nicht nur als Geld für Unternehmen und Banken konzipieren solle. In einer Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) unter Fach- und Führungskräften der deutschen Finanzindustrie hatten sich 51,1 Prozent für die Einführung des Digitaleuros ausgesprochen, 41,9 Prozent klar dagegen, der Rest war unentschieden.

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Der Digitalverband Bitkom verbreitete unterdessen am Mittwoch eine Umfrage, derzufolge drei von vier Unternehmen sich für die Einführung eines digitalen Euro aussprächen. 78 Prozent aller Unternehmen ab 50 Beschäftigten befürworteten in einer Erhebung einen Schritt. „Andere Nationen sind bei digitalem Zentralbankgeld schon weiter und haben bereits Pilotprojekte gestartet. Wir müssen unser Tempo erhöhen, um diesen Vorsprung aufzuholen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

In einer ersten Stellungnahme zur EZB-Entscheidung lobte der Fondsverband BVI den Beschluss. Hauptgeschäftsführer Thomas Richter sagte: „Die Fondsbranche unterstützt die Einführung des digitalen Euros. Parallel zu den kürzlich vom Gesetzgeber zugelassenen elektronischen Wertpapieren muss auch das Zahlungsmittel digitalisiert werden.“

Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, sagte: „Wir begrüßen nachdrücklich die Entscheidung der EZB, die Arbeiten an einem Digitalen Euro jetzt voranzutreiben. Europa darf beim digitalen Geld nicht den Anschluss an die USA oder China verlieren.“ Dies sei nicht alleine einer Frage der europäischen Souveränität, es geht vor allem darum, die Sicherheit und Stabilität der europäischen Währung zu sichern. „Den Banken – als Mittler zwischen Zentralbank und Kunde – muss auch in diesem System eine zentrale Rolle zukommen“, forderte der Verband. „Gerade Deutschland mit einer starken Industrie 4.0 hat ein großes Interesse am Erfolg dieses Projekts – unsere Industriekunden brauchen neue digitale Bezahlverfahren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Quelle: FAZ.NET
Christian Siedenbiedel
Redakteur in der Wirtschaft.
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