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Braden Wallake blickt mit verquollenen Augen in die Kamera, es laufen Tränen über sein Gesicht. Mit diesem Bild und einem langen, emotionalen Text ging der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens aus dem US-Bundesstaat Ohio zuletzt auf Linkedin als der „Crying CEO“, der weinende Vorstandschef, viral. „Das wird das Verwundbarste sein, das ich jemals teilen werde“, beginnt Wallake einen Beitrag, in dem er berichtet mehrere Mitarbeiter entlassen zu haben.
Wallake ist Chef der Agentur Hypersocial, die im Verkauf und Marketing berät. Im Februar habe er eine Entscheidung getroffen, an der er zu lange festgehalten habe, schreibt Wallake auf Linkedin. Diese Entscheidung habe nun zu den Entlassungen geführt.
Die Antworten auf Wallakes Beitrag fallen ambivalent aus. Neben mehr als 35.000 positiven Reaktionen wurde Wallake in den Kommentaren unter seinem Post auch zur Zurückhaltung aufgefordert – er sei nicht derjenige der entlassen worden sei, warum er weine, fragt eine Nutzerin, die angab, selbst gerade ihre Stelle verloren zu haben.
Es gebe eine Grenze beim öffentlichen Bekanntmachen von geschäftlichen Entscheidungen und Fehleinschätzungen, sagt Annette Mulkau, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSV). Wallake habe diese Grenze nicht gefunden.
„Braden Wallake befindet sich in einem Prozess, ähnlich dem zur Verarbeitung von Trauer, den er erst hätte bewältigen müssen, bevor er diesen Beitrag geteilt hat.“, sagt Mulkau, die selbst Führungskräfte berät und coacht. Stattdessen nutze er Linkedin für diesen Prozess. Sie rät anderen Chefs zu alternativen Möglichkeiten zur Verarbeitung starker Affekte und Emotionen. Und sie bewirbt dafür – das ist schließlich ihre Aufgabe – Supervision und Coaching. Wer Linkedin nutze, um emotional berufliche Entscheidungen bekannt zu geben, erwecke den Eindruck, die Betroffenen fänden keinen anderen Weg. Den gäbe es aber, sagt Mulkau.
Zwar sei es richtig, auch öffentlich für die eigenen Fehlentscheidungen Verantwortung zu übernehmen, doch dort müsse auch Schluss sein. Eine gute Fehlerkultur zu entwickeln, sei wichtig für Menschen in Führungspositionen. „Wenn ich als CEO das Bild von mir hätte, keine Fehler machen zu dürfen, kann ich meinen Job nicht machen“, sagt Mulkau.
Wer Managementliteratur verfolgt, weiß, dass von Führungskräften zunehmend erwartet wird, eine menschliche Seite zu zeigen. So zeigte etwa eine Umfrage der Schweizer Beratungsagentur Egon Zehnder, unter mehr als 900 Vorstandsvorsitzenden auf der ganzen Welt, dass Führungskräfte erkannt haben, dass sie nahbarer werden müssen und die sozialen Aspekte ihrer Position anerkennen.
Supervisorin und Coach Annette Mulkau sagt, CEOs seien auch Menschen und Emotionen zu haben gehöre dazu. „Auch Führungskräfte dürfen weinen, ein Bild davon zu veröffentlichen, ist aber zu viel des Guten.“
Sich menschlich und als sozial kompetente Führungskraft zu zeigen, könnte auch Wallakes Intention gewesen sein, vermutet Mulkau. Zudem könnte er sich eine positive Rückmeldung für seine Entscheidung und den Umgang damit erhofft haben. Der Trend, sich auf Linkedin stark zu präsentieren, diene auch der Generierung von Aufmerksamkeit, die wiederum zu zahlreichen ökonomischen Vorteilen führen könnte.
In Wallakes Fall folgte dem Post des Chefs ein ebenfalls langer Beitrag, von einem der entlassenen Angestellten, Noah Smith. In dem Post teilt Smith seine Eindrücke und seine Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Smith stellt aber gleich klar: Sein neuer Arbeitgeber solle Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance legen, familienfreundlich und nahbar sein – wie sein vorheriger Arbeitgeber: Braden Wallake.