Die FAZ.NET-Nachrichten-App
Kostenlos für iOS und Android
Förderung der Lehre

Deutschlands Unis nehmen Kurs auf KI

Von Wilhelm Felk
23.06.2021
, 11:06
An der Uni Osnabrück wird autonomes Fahren genutzt, um Verhaltensweisen zu erforschen. Bild: Universität Osnabrück
Studierende sollen in Zukunft viel mehr mit und über Künstliche Intelligenz lernen. Dafür lassen Bund und Länder einiges springen.

Der Umriss eines Labyrinths, daneben ein roter Punkt. Der Computer erzeugt das Labyrinth zufällig, es gibt unendlich viele Variationen. Die Aufgabe: einen Algorithmus zu programmieren, der so intelligent ist, dass er den Punkt durch jedes Labyrinth führt – möglichst schnell und mit möglichst wenig Aufwand.

An Aufgaben wie diesen knobelten Studierende vergangenes Semester in einem Tutorium zur „Einführung der Künstlichen Intelligenz“, das Florian Stutzky an der Universität Osnabrück leitete. Er selbst studiert im Bachelor „Cognitive Science“ – Kognitionswissenschaft. Stutzky beschäftigt sich mit den grundlegenden Abläufen im menschlichen Gehirn, mit Wahrnehmung, Gefühlen oder dem Denken an sich. Dass er und seine Kommilitonen sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) befassen, ist also nicht weiter verwunderlich. Doch bald könnten in Tutorien, wie Stutzky sie leitet, auch Studierende aus anderen Fächern sitzen.

Ende Februar 2021 haben Bund und Länder bekannt gegeben, in den kommenden vier Jahren 133 Millionen Euro bereitzustellen, um die Lehre über und mit KI an den Hochschulen zu fördern. Das heißt: Einerseits sollen vor allem Studierende aus fachfremden Studiengängen etwas über KI lernen. Andererseits soll KI-Technik die Hochschullehre auf allen Gebieten unterstützen. Jeder Universität, die sich bewirbt und die Förderung erhält, stehen zwei Millionen Euro zu. Ganze fünf Millionen erhalten Universitäten-Verbunde, die gemeinsame Projekte starten.

Wie lässt sich KI studieren?

Die Kosten übernehmen zu 90 Prozent der Bund und zu 10 Prozent die Länder. „Nur wenn wir hier am Ball bleiben, werden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern“, sagte die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellung der Förderung. Sie sprach mit Blick auf die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft. „Deshalb ist es mir wichtig“, fuhr Karliczek fort, „dass Studierende die notwendigen Kompetenzen für qualifizierte berufliche Tätigkeiten in diesem Bereich auf höchstem Niveau vermittelt bekommen.“

Doch womit genau sollen sich die Unis da überhaupt beschäftigen? Auch wenn sie seit einigen Jahren in aller Munde ist, lässt sich Künstliche Intelligenz nicht eindeutig definieren. Für den deutschen Softwarehersteller SAP etwa ist KI ein „Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen“.

Dazu gehören zum Beispiel die Text- oder Bilderkennung. Die Grundidee der Künstlichen Intelligenz: Maschinen sollen wichtige Funktionen des menschlichen Gehirns erlernen. Für die Aufgabe in Stutzkys Tutorium heißt das: Der rote Punkt soll nicht nur plump jeden möglichen Weg abklappern, sondern sich mit einer intelligenten Strategie seinen Ausweg bahnen. Komplexere Programme haben sogar die Fähigkeit, dazuzulernen und sich selbst weiterzuentwickeln – genau wie Menschen.

Am besten in fächerübergreifenden Grundlagenkursen

Bislang wird das Thema KI noch hauptsächlich in MINT-Studiengängen an deutschen Universitäten gelehrt, allen voran in der Informatik. Ungefähr 220 KI-Professoren gibt es hierzulande, wie der Verband Bitkom herausgefunden hat. Damit kommt auf fast jede deutsche Universität ein KI-Professor. Das Bildungsministerium will Deutschland mit der neuen Förderung aber weiter stärken bis zu einem „weltweit führenden Standort“ in Anwendung und Erforschung von KI.

Niels Pinkwart, Informatik-Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter des Forschungsbereichs „Educational Technology Lab“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, sieht bislang zwei andere Länder an der Spitze: die USA und China. „Sie investieren einfach viel größere Summen“, erklärt Pinkwart. Aber er sagt auch: „Dennoch gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu den führenden Forschungsstandorten.“

Wie genau die Unis die Fördermittel einsetzen, überlassen Bund und Länder den Hochschulen. Sie können einzelne Kurse, Module oder ganze Studiengänge ins Leben rufen. Kai-Uwe Kühnberger, der in Osnabrück Kognitionswissenschaften lehrt, will, dass möglichst alle Studierenden seiner Uni etwas über KI beigebracht bekommen – am besten in fächerübergreifenden Grundlagenkursen.

In Osnabrück lernen auch Linguisten etwas über KI

Niels Pinkwart von der Humboldt-Uni verfolgt einen anderen Ansatz. Ihm ist es wichtig, dass sich die KI-Kurse auf das jeweilige Fach beziehen: „Kunstwissenschaftler profitieren nicht so sehr davon, wenn sie etwas über neuronale Netze lernen. Interessanter wäre für sie, etwas über die Schnittstellen zwischen KI und Kunst zu erfahren“, meint er. In den Geisteswissenschaften und in anderen Fächern, die viel mit Texten arbeiten, gibt es aus Pinkwarts Sicht besonderen Nachholbedarf in der KI-Lehre. An der Uni Osnabrück lernen neben Naturwissenschaftlern schon Juristen und Linguisten etwas über KI, andere Geisteswissenschaften sollen dazukommen.

Die Förderung soll allerdings nicht nur die Lehrinhalte auf den neuesten Stand bringen, sondern auch die Technik. Das Bildungsministerium schlägt zum Beispiel KI-gestützte Angebote zur Studienberatung vor oder eine neue Software, die das Zusammenspiel von Lernplattformen und Verwaltungsdiensten verbessert.

Vollständigen Inhalt im Originalbeitrag darstellen

    Öffnen

Pinkwart von der Humboldt-Uni hat mit anderen Wissenschaftlern ein Positionspapier zu KI an den Hochschulen verfasst. Dort zeichnen die Forscher ein konkretes Zukunftsszenario: Studierende würden sich künftig im Onlineportal ihrer Universität anmelden, wo sie ein „Learning Alliance“ erwartet – also ein digitaler Lernpartner. Er weist die Studierenden auf Veranstaltungen hin, liefert Lernempfehlungen, korrigiert eingereichte Aufgaben, erklärt Abläufe des Uni-Alltags, steht als Chatbot für Fragen bereit und erinnert an Fristen.

Die Unterstützung ist personalisiert. Mit den gesammelten Daten erfasst der künstliche Lernpartner, wo sein Schützling steht, und kann maßgeschneiderte Antworten auf wichtige Fragen liefern. In welchen Fächern hängt der Studierende hinterher? Mit welchen Medien lernt er am besten? Ist die Hilfe eines Dozenten notwendig? Der digitale Lernpartner werde die Rolle der Lehrenden verändern, meinen die Forscher: Routineaufgaben würden wegfallen, es bliebe mehr Zeit für die Einzelbetreuung und Forschung.

Doch von diesem Szenario, das sagen die Wissenschaftler auch, ist die Gegenwart relativ weit entfernt. Momentan stecke KI-gestützte Lehre noch in den Kinderschuhen, sagt KI-Experte Pinkwart. „Es gibt einzelne Prototypen, die zum Beispiel Essays korrigieren und Rückmeldungen geben, aber dass ein KI-Lernsystem allumfassend aufgestellt wurde, ist in Deutschland noch sehr selten.“

Das liegt auch daran, dass einige Fragen noch nicht KI-gerecht geklärt sind: Was ist eine „gute“ Prüfungsleistung? Wie kann eine KI bei Bewertungen dazulernen? Soll der menschliche Dozent durch einen KI-basierten Chatbot ersetzt werden, auch wenn Fragen zur Bewertung aufkommen? Der angehende Kognitionswissenschaftler Florian Stutzky aus Osnabrück widmet diesen Aspekten seine Bachelorarbeit. „Ich beschäftige mich damit, wie KI künftig Hausaufgaben von Studierenden bewerten kann“, sagt er. „KI sollte den Dozenten in Zukunft unterstützen und nicht ersetzen. Nur mit Chatbots zu studieren wäre sicherlich eher künstlich als intelligent.“

Quelle: F.A.Z.
Verlagsangebot
Professur (m,w,d) für die Studienfächer Psychologie und Ethik W 2 HBesG
Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS)
Manager:in oder Principal (m/w/d)
Deutsche Bahn AG
Senior Consultant (w/m/d) Management Consulting
Deutsche Bahn AG
Kaufmännischer Geschäftsführer (m/w/d)
Flughafen Hamburg Gesellschaft mit beschränkter Haftung über Odgers Berndtson Unternehmensberatung GmbH
Verlagsangebot
Jobs für Fach- und Führungskräfte finden
Wirtschafts- psychologie & Leadership
Lernen Sie Englisch
Powerbanks im Test
Convertible-Notebooks im Test