Warten auf die Taliban
Von CHRISTIAN MEIER, Fotos von DANIEL PILAR14. Juli 2020 · In Afghanistan fragen sich die Leute, was passiert, wenn die Extremisten wieder an die Macht kommen.
Der Vogel will nicht singen. Der Händler hat ihn extra an ein ruhiges Plätzchen gebracht, weg vom Lärm der Basarstraße. Er ist durch einen dunklen Hauseingang in den Innenhof eines verfallenen Gebäudes gegangen und hat, den Käfig in der Hand, die klapprige Leiter auf eine offene Zwischendecke erklommen. Hat den schwarzen Ziervogel auf ein Mäuerchen gesetzt und sich selbst daneben. Geduldig wartet er ein paar Minuten, hin und wieder pfeift er dem Tier sogar etwas vor. Aber das Vögelchen in seinem kleinen Käfig bleibt stumm. Der Händler wirkt nicht sonderlich überrascht, er versucht auch nicht, irgendwelche Händlertricks anzuwenden, sondern sagt nur, der Vogel könne singen, wolle aber wohl gerade nicht.
Unten stehen Alamzeb und Saif ur Rahman und sind nicht überzeugt. Saif ur Rahman will sich einen Singvogel kaufen, „weil das die Stimmung hebt“. Die beiden Afghanen sind selbst Händler. Und sie sind Freunde, daher sind sie zusammen hergekommen zum Ka Frushi, dem Kabuler Vogelmarkt. Sie plaudern ein wenig mit dem Verkäufer. Am Ende sagt Saif ur Rahman zu ihm, er werde es sich überlegen. Er wird das Tier aber erst einmal nicht kaufen. Wer braucht in diesen Zeiten schon einen Vogel, der singen soll, aber nicht singt?
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14.07.2020 | Quelle: F.A.S. |