Der vorinstallierte Zensor

Die geplante Einführung einer obligatorischen Internet-Filtersoftware für Computer wird für die chinesische Führung zur Peinlichkeit. Im Internet wurde eine Diskussion über Zensur, Meinungsfreiheit und fehlende Beteiligung an der Entscheidungsfindung losgetreten, die der Regierung ganz und gar nicht recht ist. In unzähligen Kommentaren verurteilten Internetnutzer die vor wenigen Tagen bekanntgewordene Maßnahme, wonach alle in China produzierten sowie importierten Computer vom 1. Juli an das Filterprogramm „Grüner Damm“ vorinstalliert haben müssen oder es zumindest auf CD beigelegt werden muss.
Die Verantwortlichen versicherten zwar, dass die Software problemlos deinstalliert werden könne, beziehungsweise zu Beginn erst einmal aktiviert werden müsse. Die Nutzung erfolge also durchaus freiwillig. Jedoch veröffentlichte selbst die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua einige der kritischen Äußerungen. Auch einige Kommentare staatlicher Zeitungen sprachen sich gegen die Maßnahme aus. „Es gibt Bedarf für so eine Filtersoftware, aber nicht jeder braucht sie“, schrieb die offizielle „China Daily“. Die Installation auf jeden Computer sei Geldverschwendung.
Offiziell soll die Software dem Kinderschutz dienen und Pornographie oder Gewaltdarstellungen, aber offenbar auch Inhalte zum Thema Homosexualität blockieren. Nach Angaben von Xinhua haben landesweit schon mehr als 20.000 Schulen die Software auf 2,6 Millionen Computern installiert. Es ist aber zu befürchten, dass auch der Zugang zu politisch unbequemen Seiten gesperrt werden könnte und Benutzerdaten an die Firma oder die Regierung weitergeleitet werden. #

Berüchtigtes Zensursystem: „Great Firewall“
Die Vermutung liegt nahe, da China sowieso Websites von Menschenrechtlern und anderen Anbietern unliebsamer Gedanken blockiert und den Datenverkehr überwacht. Tatsächlich haben wohl erste Tests ergeben, dass durch das Programm auch der Zugang zu politisch „sensiblen“ Themen gesperrt wird, zum Beispiel, wenn der Suchbegriff der in China verfolgten Sekte Falun Gong eingegeben wird. „Zeigt das nicht, dass sie Angst davor haben, dass wir bestimmte Dinge sehen oder hören?“, hieß es in einem Internetkommentar.
Die Diskussion hat auch die unangenehme Frage aufgeworfen, wer darüber entscheiden darf, welche Inhalte als „ungesund“ gelten. Diese Einschätzung unterliegt nämlich der Willkür der Kommunistischen Partei. Sie hat ein Zensursystem aufgebaut, das unter dem Begriff „Great Firewall“ berüchtigt geworden ist. Erst vor kurzem waren bei einer Kampagne gegen „vulgäre“ Internetseiten auch wieder politische Angebote gesperrt worden.
Einige Internetnutzer, Journalisten und Fachleute in China stellen nun die hohen Kosten für das Projekt in Höhe von 41,7 Millionen Yuan (etwa 4,3 Millionen Euro) aus dem Regierungsetat in den Mittelpunkt der Kritik. Die freie Nutzung der Software ist landesweit ein Jahr lang gestattet. Manche vermuten gar, dass gute Beziehungen des Entwicklerunternehmens Jinhui zu dem zuständigen Ministerium für Industrie und Informationstechnologie hinter der Maßnahme stecken, also Korruption. Kritiker merkten außerdem an, dass es keine öffentliche Diskussion und Ausschreibung des Auftrags gegeben habe. Der Menschenrechtsanwalt Li Fangping forderte in einer Anfrage an das Ministerium eine öffentliche Anhörung.
Chinas Internetgemeinde mit etwa 300 Millionen Angehörigen zeigt ihren Unmut über die immer zahlreicher werdenden Einschränkungen immer offener. Zur Frustration der Nutzer hatte die Zensur einen neuen Höhepunkt erreicht, als wegen des 20. Jahrestages des Tiananmen-Massakers am 4. Juni eine Vielzahl von Seiten zusätzlich gesperrt worden waren, darunter auch der Kurzmitteilungsdienst Twitter. „Die jüngste Atmosphäre der Medienkontrolle und die Zensur sind viel strenger als je zuvor. Es hat ein Ausmaß erreicht, mit dem ich niemals gerechnet hätte“, schrieb ein chinesischer Blogger. Wie lange die Zensoren diese Diskussion zulassen, fragen sich viele in China.