So ermuntert man Putin zum Regelbruch

Deutschland lebt gut vom Export seiner Güter. Nur bei der Ausfuhr der eigenen politischen Werte ist es nicht sonderlich erfolgreich. In den meisten Ländern, mit denen deutsche Unternehmen Handel treiben, herrschen weit weniger demokratische Zustände als hierzulande. Allerdings ist es auch nicht Aufgabe von Anlagenbauern oder Walzenproduzenten, ihren Kunden die Baupläne des deutschen Rechtsstaats zu verkaufen. „Wandel durch Handel“ ist eine Idee, die aus der Politik kommt. Sie klingt wie ein Konzept. Tatsächlich ist sie nicht viel mehr als eine Hoffnung – und eine Verbrämung der Tatsache, dass man in dieser Welt Geschäfte, auch politische, mit Gestalten machen muss, die alles andere sind als lupenreine Demokraten.
Die Frage, ob dabei immer zuerst das Fressen – Wohlstand, Arbeitsplätze, warmes Wohnzimmer – zu kommen hat oder manchmal doch die Moral – keine Deals mit Regimen, die ihre Kritiker zerstückeln oder vergiften –, stellt sich auch im Fall Nawalnyj. Der Forderung, auf das Attentat mit einem Sanktionspaukenschlag gegen Nord Stream 2 zu reagieren, schallen in Deutschland viele Einwände entgegen: Wie der Kreml mit einem Oppositionellen umgehe – not our business. Auch bei anderen schwierigen Kunden sei man doch nicht zimperlich. Und überhaupt: Ist die Haltung, die Welt solle am deutschen Wertewesen genesen, nicht eine unerträgliche Mischung aus Überheblichkeit, Geschichtsvergessenheit und moralingetränkter Naivität?
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