Tunesien hat wieder eine Regierung

Nach zweieinhalb Monaten hat Tunesien wieder eine neue Regierung. Am Montag wurde in Tunis das Kabinett von Ministerpräsidentin Najla Bouden vereidigt, die selbst erst seit Ende September im Amt ist. Nach der Entlassung ihres Vorgängers im Juli war der Druck auf Staatspräsident Kaïs Saïed gewachsen, eine neue Regierung einzusetzen. Nach ihrer Vereidigung am Montag muss sie sich keiner Abstimmung durch das Parlament unterziehen, dessen Aktivität der Präsident weiterhin ausgesetzt hat; zudem hob er die politische Immunität der Abgeordneten auf. Dem neuen Kabinett der parteilosen Geologin, die die erste Regierungschefin des nordafrikanischen Landes ist, gehören 24 Mitglieder an; acht von ihnen sind Frauen. In mehreren Schlüsselministerien tat sich jedoch nichts: Najla Bouden behielt die von Saïed ernannten Ressortschefs für Finanzen, Äußeres und Gesundheit auf ihren Posten.
Zudem kehrte der im Januar entlassene Innenminister Taoufik Charfeddine, der dem Präsidenten nahesteht, in sein Amt zurück. Die Ministerpräsidentin sagte, sie wolle dem Land neue Hoffnung und der Bekämpfung der Korruption Priorität geben. Boudens politischer Spielraum ist jedoch durch die weitreichenden Kompetenzen eingeschränkt, die sich der Präsident zuvor gegeben hatte; die Regierung ist unmittelbar Kaïs Saïed unterstellt, der selbst Gesetze erlassen kann. In Tunis hatten am Sonntag wieder Tausende gegen seine Notstandsmaßnahmen demonstriert. Nach Schätzungen waren es bis zu 7000 Menschen, laut der islamistischen Ennahda-Partei waren es 100.000.
Journalisten beklagten Übergriffe durch ein massives Aufgebot der Sicherheitskräfte, das Tränengas einsetzte. Der frühere Staatspräsident Moncef Marzouki rief Frankreich dazu auf, in Tunesien zu intervenieren, um den „Staatsstreich“ des Präsidenten zu beenden. Am Wochenende hoben die Behörden den Hausarrest von mehreren Politikern auf. Unter ihnen waren der frühere Chef der Antikorruptionsbehörde INLUCC und zwei Islamisten.