Und jeden Freitag gab es Schweinefleisch

„Verschwunden“, sagt Omir Bekali. „Dieser Mann ist verschwunden.“ Bekali sitzt in der Wohnung eines Freundes und meint den Mann, der gerade im Fernsehen zu sehen ist. Über den Bildschirm flimmert ein Musikvideo des uigurischen Popsängers Ablajan Awut Ayup. Dieser gilt seit Februar 2018 als vermisst und wurde vermutlich von chinesischen Behörden in Xinjiang verhaftet. Auch er sei einmal verschwunden gewesen, sagt Bekali. Acht Monate habe er in einem Umerziehungslager in der autonomen Region Xinjiang im Westen Chinas verbracht. Bekali lebt mittlerweile in den Niederlanden in einer Flüchtlingsunterkunft. Weil dort keine Gespräche mit Journalisten erlaubt sind, bittet er für das Treffen in die Wohnung des Freundes. Dort berichtet er, dass er schon vor seinem Verschwinden gehört hatte, dass manche Menschen plötzlich einfach fort seien. Bekali sagt: „Ich habe nicht gedacht, dass es mich treffen könnte.“
Seit mehr als zwei Jahren werden Uiguren, Kasachen und andere muslimische Bevölkerungsgruppen im Westen Chinas in Lager gebracht. Anders als von der chinesischen Regierung behauptet, handelt es sich wohl nicht um Ausbildungszentren, sondern um Umerziehungslager – den in Xinjiang lebenden muslimischen Völkern solle damit Kultur und Religion ausgetrieben werden. Mindestens eine Million Menschen werden Informationen der Vereinten Nationen zufolge in den Lagern festgehalten. Mitte November veröffentlichte die Zeitung „New York Times“ streng vertrauliche Regierungsdokumente aus Peking. Darin enthalten ist eine Rede des Staatspräsidenten Xi Jinping, der die Muslime im Westen Chinas als von einem gefährlichen „gedanklichen Virus“ befallen bezeichnet. Das Virus könne nur durch eine „Phase der schmerzhaften, interventiven Behandlung“ ausgerottet werden.
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