Die Katastrophe nach der Katastrophe
Ende Juni 2020 tritt die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erstmals in dieser Legislaturperiode ans Rednerpult des nordrhein-westfälischen Landtags. Zehn Jahre nach der Love-Parade-Katastrophe will das Parlament fraktionsübergreifend einen Antrag beschließen. Darin versprechen die Abgeordneten nicht nur die Einrichtung eines ergänzenden Hilfsfonds und eines Fonds für Opfer von Gewalttaten und Katastrophen. Überdies erteilen sie der Landesregierung auch den Auftrag, eine Expertenkommission einzusetzen. Sie soll unter anderem Vorschläge erarbeiten, wie komplexe Katastrophenfälle künftig besser und schneller aufgearbeitet werden können. Das ist ein Lichtblick. Denn seit zehn Jahren wird den Betroffenen der Love-Parade-Katastrophe vom 24. Juli 2010 eine umfassende amtliche Aufarbeitung verweigert. Und anders als vom Landgericht Duisburg behauptet, ist die Causa auch nicht durch den Beschluss abschließend aufgeklärt, den die sechste große Strafkammer zur Einstellung des Love-Parade-Strafprozesses am 4. Mai 2020 verfasst hat.
Hannelore Kraft sagt: „Ich war vor zehn Jahren fest davon überzeugt, dass die Fehler ermittelt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich habe nicht recht behalten.“ Dass das Landgericht den Love-Parade-Prozess „wegen geringer Schuld“ ohne Urteil einstellte, sei zwar aus rechtsstaatlicher Sicht nachvollziehbar, doch für die Angehörigen der Todesopfer, die vielen Verletzten und Traumatisierten schwer zu ertragen. Weder der mit 44 Seiten ungewöhnlich lange Einstellungsbeschluss des Landgerichts noch der heutige Beschluss des Landtags könnten den Verlust ungeschehen machen. „Es werden Wunden bleiben, auch Enttäuschung, auch Wut.“ Doch wollten die Volksvertreter eine Geste an die Angehörigen und die überlebenden Opfer der Love-Parade richten. Sie komme von Herzen, sagt die SPD-Politikerin und ringt um Fassung: „Wir bitten Sie um Vergebung.“ Es ist ein wichtiges Zeichen, nicht nur im Namen des Parlaments.
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