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Luftverteidigung für Kiew

Noch wichtiger als Kampfpanzer

Von Lorenz Hemicker
11.10.2022
, 13:04
Hilfe für die Ukraine: Ein Startbehälter des Flugabwehrraketensystems Nasas bei einer NATO-Übung am 27. September in Litauen Bild: EPA
Nichts verlangt die Ukraine nach den jüngsten russischen Raketen- und Drohnenangriffen dringender als Luftverteidigungssysteme. Deutschland und Amerika liefern. Wunder können sie nicht bewirken.

Russlands Luftangriffe auf zivile Ziele in der ganzen Ukraine haben noch einmal gezeigt, wie wichtig die Luftverteidigung ist. Sie sei nun die „Nummer eins“ auf der Prioritätenliste bei der Militärkooperation, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Twitter nach einem Telefonat mit seinem amerikanischen Amtskollegen Joe Biden. Der Amerikaner bekräftigte sein Versprechen, schnellstmöglich zu liefern.

Zwar war es den Ukrainern am Montag nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew gelungen, mehr als die Hälfte der Objekte im Anflug zu zerstören. Aber Dutzende der mehr als 80 Marschflugkörper und 24 Drohnen schlugen dennoch in ukrainischen Städten ein. Dort töteten sie zahlreiche Zivilisten und beschädigten zivile Infrastruktur.

Bislang besteht die ukrainische Luftabwehr im wesentlichen aus einem Mix westlicher Systeme für kurze Distanzen und sowjetischen Systemen für größere Reichweiten. Wie viele davon nach sieben Monaten Kriegshandlungen noch im Einsatz sind, ist unbekannt. Zur ersten Kategorie zählen vor allem schultergestützte Waffen, zur letzteren Systeme wie das S-300, das laut westlichen Fachleuten bislang vor allem dazu genutzt wurde, Städte zu schützen. Andere, wie das SA-11 Buk mit kürzerer Reichweite sind tendenziell näher an der Front zu finden, ebenso wie die Flugabwehrkanonenpanzer „Gepard“, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat.

Lufthoheit konnte Russland nicht erlangen

Die Mischung der Systeme und ihr geschickter Einsatz reichten bislang dazu aus, den nominell überlegenen russischen Luftstreitkräften die Lufthoheit über der Ukraine zu verwehren. Gegen massive und weit verstreute Angriffe mit einer Mischung aus Marschflugkörpern, ungelenkten Raketen und Kampfdrohnen aber sind sie unzureichend. Zudem stehen die Ukrainer mit ihren sowjetischen Luftverteidigungseinheiten vor ähnlichen Herausforderungen wie bei Artillerie und Kampfpanzern. Das Gerät ist veraltet, Ersatzteile und Munitionsnachschub sind endlich – und der Gegner kennt die Schwachpunkte der Systeme aus eigener Erfahrung ganz genau.

Deutschland und die Vereinigten Staaten wollen nun bereits seit längerer Zeit in Aussicht gestellte Luftverteidigungssysteme so schnell es geht an die Ukraine liefern. Zwölf Stück sollen es sein.

Deutschland wird in den kommenden Tagen das erste von vier IRIS-T SLM bereitstellen, wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montag ankündigte. Es kann Flugkörper aus allen Richtungen in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern bekämpfen. Die Module von IRIS-T SLM sind in Containern gelagert und damit leicht zu transportieren. Zum System, dass in die Ukraine geht, sollen angeblich drei Starter mit jeweils bis zu acht Raketen gehören.

Vollständiger Schutz wäre illusorisch

Parallel dazu wollen die Vereinigten Staaten die ukrainischen Streitkräfte mit einem weiteren modernen System ausstatten, dem „Norwegian Advanced Surface to Air Missile System“ (kurz: Nasams). Seine Reichweite hängt von der verwendeten amerikanischen Boden-Luft-Rakete ab, dürfte aber in jedem Fall ebenfalls bei mindestens 25 Kilometer liegen. Dabei verfügt eine Nasam-Batterie über sechs Startstationen mit jeweils sechs Raketen.

Welchen Effekt die westlichen Luftverteidigungssysteme erzielen können, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Ein vollständiger Schutz der Ukraine mit ihrer Hilfe ist illusorisch. Das Land ist das größte in Europa, die Fläche 1,7-mal so groß wie Deutschland. Auch der vollständige Schutz aller Ballungszentren wäre mit Hilfe solcher Systeme allein kaum leistbar. Schließlich verfügen sie nur über eine begrenzte Zahl an Flugkörpern und auch nicht über eine hundertprozentige Trefferquote, vor allem nicht gegen anfliegende Raketen. Nach Auffassung von Fachleuten wird es zudem noch Monate dauern, bis sämtliche Systeme in der Ukraine angekommen und die Besatzungen in ihre Handhabung eingewiesen sind. Der Effekt dürfte also erst mittelfristig zu spüren sein.

Quelle: FAZ.NET
Lorenz Hemicker
Redakteur beim Chef vom Dienst.
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