„Mrs. Merkel wächst an jeder Krise“

Der Titel der aktuellen Ausgabe des britischen Magazins „The Economist“ ist Angela Merkel gewidmet. Der mehrseitige Text analysiert sowohl das Wirken der Kanzlerin auf die derzeit zu bewältigenden europäischen Konflikte als auch die Kritik an ihrer Haltung in der Flüchtlingskrise. Der Tenor lautet: Während das Führungspersonal anderer europäischer Staaten wie Frankreich, England oder Italien einsehen müsse, dass sich sein Einfluss verringert, sei die deutsche Bundeskanzlerin nach zehnjähriger Amtszeit zur Stunde „mehr denn je unverzichtbar für Europa“.
Angesichts der zahlreichen europäischen Konflikte – der Eurokrise, der Krise in der Ukraine sowie der daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland und des andauernden Flüchtlingsstroms auf den Kontinent – habe Merkel europäische Ideale durchgesetzt, heißt es in dem Artikel, der auch die Vorwürfe in Augenschein nimmt, denen die Kanzlerin sich momentan ausgesetzt sieht. So sei die Annahme falsch, sie habe mit ihrer „Willkommenskultur“ einen Ansturm provoziert, der Europa ruinieren und sie ihr Amt kosten werde. Anders, als es Merkels Kritiker behaupten, habe die Kanzlerin den Flüchtlingsstrom nach Europa mit ihrer Haltung nicht verursacht: „Die Flüchtlinge wären ohnehin gekommen, sie hat dagegen eine humanitäre Katastrophe verhindert.“ Auf dem internationalen Parkett sei Merkel aktuell so respekteinflößend wie zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit.
Obwohl die Zweifel an ihrer Politik weitgehend unberechtigt seien, sei die Kanzlerin und CDU-Chefin jedoch weit entfernt von Perfektion, heißt es in dem Text weiter: „Sie kann ein politisches Chamäleon sein ebenso wie ein Skorpion, der potentielle Rivalen still aus dem Weg räumt.“ Ironischerweise sei es momentan aber nicht etwa Unentschlossenheit, die die europäische Flüchtlingskrise zu Merkels größter politischer Herausforderung habe werden lassen, sondern Wagemut. Nun sei es an den anderen europäischen Staaten, die Kanzlerin auf ihrem Kurs zu unterstützen.