Katastrophenschutz stärken, Streit vermeiden

Wer sich mit dem deutschen Föderalismus beschäftigt, kann nicht behaupten, dass die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern perfekt verteilt sind. Das tut auch keiner. Doch das ganze zu ändern, ist eben auch extrem schwierig, wie das Gezerre um die zwei Föderalismusreformen zeigt. Über die Sinnhaftigkeit von sechzehn Landesämtern für Verfassungsschutz wird schon länger diskutiert. Relativ neu auf dem Radar ist der Katastrophenschutz.
Nach dem Grundgesetz sind die Länder zuständig, in einer bundesweiten Lage müssen sie sich abstimmen. Es gibt zwar ein Amt, das sich so anhört, als halte es alle Fäden in der Hand, nämlich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), aber seine Zuständigkeiten beschränken sich auf den Spannungs- und Verteidigungsfall, beides gab es noch nie. Seit Beginn der Pandemie steht die Forderung im Raum, dem Bonner Amt mehr Kompetenzen zu geben.
Mehr Verantwortung für den Bund?
Die Ampel-Regierung hat sich das vorgenommen. Der Bund müsse mehr Verantwortung für den Bevölkerungsschutz übernehmen, heißt es im Koalitionsvertrag. Das BBK solle neu ausgerichtet werden und „unter Berücksichtigung der föderalen Kompetenzverteilung zur Zentralstelle“ weiterentwickelt werden. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz sind Beispiele für solche Zentralstellen. Im Unterschied zu anderen Bundesbehörden können sie die Zusammenarbeit von Bund und Ländern koordinieren und haben in diesem Punkt auch ein Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden.
Konstantin Kuhle, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, wollte wissen, unter welchen Voraussetzung das BBK in eine solche Zentralstelle umgewandelt werden kann. Er hat sich an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags gewandt, dessen Gutachten nun vorliegt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass für solch eine Reform eine Grundgesetzänderung erforderlich ist. Wenn der Bund die Zusammenarbeit mit den Ländern gesetzlich regeln will, muss auch die verfassungsrechtliche Norm über die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes angepasst werden.
Jedenfalls im Bundesrat ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht in Sicht. Auf allen Innenministerkonferenzen der vergangenen Jahre lag das Thema auf dem Tisch, stets hatten sich die Landesminister, vor allem die der größeren Bundesländer, gegen den Vorschlag gewehrt, Kompetenzen an den Bund zu übertragen.
Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wollte diese fruchtlose Debatte nicht mehr führen und schlug einen neuen Weg ein: Beim BBK sollte ein Gemeinsames Kompetenzzentrum geschaffen werden. Bund, Länder, Kommunen und Hilfsorganisationen sollten an einem Tisch sitzen, damit im Katastrophenfall die Fäden zusammenlaufen. Im Juni beschloss die Innenministerkonferenz das Kompetenzzentrum. Einzelne Landesminister hoben gleichzeitig hervor, dass ihre Kompetenz unberührt bleibe.
Kurz vor dem Jahrestag der Flutkatastrophe will Seehofers Nachfolgerin Nancy Faeser (SPD) kommende Woche mit dem neuen BBK-Präsidenten Ralph Tiesler Schwerpunkte für die künftige Arbeit vorstellen. Eine Grundgesetzänderung gehört dem Vernehmen nach nicht dazu. Und auch das BBK selbst ist von den Plänen der Ampel nicht begeistert. „Unser Ziel ist es, den Bevölkerungsschutz in Deutschland zu stärken. Das können wir mit dem aktuellen System leisten, also auf der Grundlage unser geltenden Verfassung. Eine Diskussion über Zuständigkeiten hat in der Vergangenheit zu Streit und Misstrauen geführt und den Bevölkerungsschutz letztendlich nicht gestärkt“, teile die Sprecherin des BBK auf Anfrage der F.A.Z. mit.
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