Srrii-irr!
KAI SPANKE und JENS GYARMATY (Fotos)14. Juni 2020 · Hat sich die Corona-Krise auf die Tierwelt ausgewirkt? In der Zeit des Lockdowns waren die Vögel in deutschen Metropolen deutlich leiser. Und die Stadtbewohner deutlich aufmerksamer. Manch einer wähnte einen Kolibri in seinem Garten. Aber es war dann doch ein Zaunkönig.
Derk Ehlert kann sich nicht länger zusammenreißen. Höchste Zeit, die professionelle Rolle kurz zu verlassen. Über Biodiversität, Populationsdynamiken und Reviergrößen lässt sich auch später noch reden. Denn jetzt fegen sie nur wenige Meter über seinem Kopf durch den Berliner Morgenhimmel. Er schaut hoch, breitet die Arme aus und ruft: „Da! Ich liebe Mauersegler! Mit welcher Leichtigkeit die sich bewegen!“ Das ist keine Showeinlage, sondern echte Begeisterung. Jeder Satz endet, die Intonation lässt keinen Zweifel, mit einem Ausrufezeichen. Die Vögel rasen mal mit kräftigen Flügelschlägen, dann wieder im Gleitflug über die Baumwipfel. Dabei stoßen sie laufend ihren schrillen Srrii-irr-Ruf aus.
Ehlert, Jeanshemd, Funktionsjacke, Rucksack, steht auf dem ehemaligen Flakturm des Humboldthains. Zu seinen Füßen der Ortsteil Gesundbrunnen, in seinem Rücken ein vielstimmiger Chor. Während ornithologisch wenig bewanderte Parkbesucher vor allem schnaufende Jogger und polternde S-Bahnen hören dürften, filtert Ehlerts Wahrnehmung jeden Vogellaut aus den Umgebungsgeräuschen heraus. Sobald er eine Art identifiziert hat, nennt er sie, egal, ob er gerade einen Gedanken entwickelt oder die Glieder einer Argumentationskette ordnet: „Verschiedene Biotop-Strukturen finden sich in Berlin – Fitis – auf engstem Raum, was der Artenvielfalt – Mönchsgrasmücke – enorm auf die – Zilpzalp – Sprünge hilft.“
In den vergangenen Wochen wurde Ehlert immer wieder mit derselben Frage konfrontiert: „Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die urbane Fauna?“ Er muss es wissen, ist er doch der einzige Wildtierreferent Deutschlands. Berlin leistet sich diesen Posten, weil keine andere Metropole Europas ein vergleichbares Mosaik unterschiedlicher Lebensräume bietet. Die Stadt besteht zu 40 Prozent aus Wasser- und Grünflächen, hat mehr als 2000 Parks und 70.000 Kleingärten.
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15.06.2020 | Quelle: F.A.Z. |