Wie polnische Richter die europäische Integration fördern
Am 7. Oktober erklärte das polnische Verfassungsgericht eine ganze Rechtsprechungslinie des Europäischen Gerichtshofs zur Durchsetzung europäischer Werte für unanwendbar. Was man von diesem Urteil halten sollte, findet sich in der öffentlichen Erklärung 27 ehemaliger polnischer Verfassungsrichter vom 10. Oktober 2021. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Urteil nicht interessiert. Im Gegenteil. In einem wichtigen, vielleicht sogar in dem zentralen Punkt der europäischen Integration macht es eine wegweisende Feststellung. Kaczyńskis Richterbank leistet, wohl ohne Absicht, einen wichtigen Beitrag zur europäischen Integration. Mehr noch: Sie bringt sie ein gutes Stück voran.
Das Warschauer Gericht erkennt, auf Antrag des Ministerpräsidenten, dass Art. 1 Abs. 2 EU-Vertrag gegen die polnische Verfassung verstößt. Diese Bestimmung erklärt, dass der EU-Vertrag zur „Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ beizutragen hat. Diese Zielsetzung findet sich bereits in der Präambel des EWG-Vertrags von 1957, erstarkt mit dem Maastrichter Vertrag von 1992 zu einer operativen Bestimmung und wird zuletzt durch den Lissabonner Vertrag von 2007 bestätigt. Viele sehen in diesen Worten geradezu die Losung des europäischen Integrationsprozesses. Insbesondere ihre englische Fassung als „ever closer union“ befeuert gesellschaftliche Debatten zur europäischen Finalität weit jenseits juristischen Expertentums.
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