Trauermarsch in Teheran: Eine „Märtyrerin“

Wegen der tödlichen Messerattacke auf eine Muslimin in einem Dresdner Gerichtssaal haben am Freitag in der iranischen Hauptstadt bei einem „Trauermarsch“ hunderte Menschen protestiert. Irans Regierung bezeichnete die getötete Ägypterin als eine „Märtyrerin“ und legte bei der Bundesregierung Protest gegen „diese unmenschliche Tat“ ein. Die Tat zeige „den täglich wachsenden Hass gegenüber Immigranten und religiösen Minderheiten in Deutschland“, teilte der Sprecher des iranischen Außenministeriums in einer Stellungnahme am Donnerstag mit.
Das iranische Staatsfernsehen hatte am Mittwoch eine mehrstündige Sendung über die Ermordung der Ägypterin in Dresden gebracht. Auch in Ägypten hatte der Vorfall Proteste hervorgerufen. In der Presse war unfangreich über den Vorfall berichtet und Deutschland kritisiert worden. In Alexandria, der Heimatstadt der Getöteten, soll eine Straße nach ihr benannt werden. Das bestätigte die die ägyptische Botschaft.
Merkel spricht Mubarak Anteilnahme aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach Ägyptens Präsident Husni Mubarak bei einem Treffen während des G-8-Gipfels im italienischen L'Aquila persönlich ihre Anteilnahme aus. Die Regierung verurteile die rassistisch motivierte Gewalt aufs Schärfste. Außenminister Steinmeier (SPD) versicherte seinem ägyptischen Amtskollegen Abul-Gheit in einem Schreiben, es werde alle getan, um die Tat aufzuklären und künftig solche Verbrechen zu verhindern.

Die Demonstranten in Teheran riefen „Nieder mit Deutschland“, „Nieder mit Husni Mubarak“ oder „Märtyrerin des Hidschabs“ (Schleier). Sie trugen symbolisch die Attrappe eines Sarges von der Teheraner Universität zum Palästina-Platz im Zentrum der Hauptstadt. In einer Protestnote, die dem deutschen Botschafter Herbert Honsowitz übergeben wurde, forderte Iran laut Nachrichtenagentur Fars die Bundesregierung dazu auf, die Rechte und die Sicherheit aller Minderheiten, einschließlich der Muslime, zu garantierten. Auch Italiens Botschafter Alberto Bradanini wurde ins Außenministerium einbestellt, weil die G-8-Staaten zu der Bluttat geschwiegen hätten.
Die schwangere Ägypterin Marwa S. war am 1. Juli mitten in einem Berufungsprozess am Dresdner Landgericht von dem Angeklagten mit mindestens 18 Messerstichen getötet worden. Gegen den Täter, einen aus Russland stammenden Deutschen, wurde wegen Mordes Haftbefehl erlassen.
Trauerfeier in Dresden
In Dresden wird am Samstag der Toten mit einer öffentlichen Trauerfeier gedacht. Anschließend ist vor dem Rathaus eine Kundgebung mit Vertretern der Stadt Dresden, des Freistaates Sachsen und verschiedener Organisationen geplant. Auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sowie Sachsens Wissenschafts- und Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) werden erwartet. In mehreren Städten sollen auf Initiative muslimischer Verbände Mahnkundgebungen stattfinden.
Im Aufruf des Dresdner Ausländerrates heißt es: „Der Mord an Marwa hat politisch katastrophale Folgen, die über die Grenzen Dresdens und Deutschlands hinauswirken und die Beziehungen zwischen den Nationen überschatten.“ Das Integrationsnetzwerk Sachsen als Vertreter von 16 Spätaussiedlervereinen verurteilte die Tat und sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus. Zugleich zeigte sich das Netzwerk besorgt über „das Engagement Russlanddeutscher in der rechtsextremistischen Szene, insbesondere in der NPD“. Angeblich war der mutmaßliche Mörder der Frau ein NPD-Sympathisant.
Als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft
Das spätere Opfer hatte den 28 Jahre alten Russlanddeutschen, der sie auf einem Dresdener Spielplatz ein Jahr zuvor als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft hatte, wegen Beleidigung angezeigt. Sie hatte den Mann gebeten, auf einer Schaukel für ihren drei Jahre alten Sohn Platz zu machen. In einer ersten Verhandlung wurde der Russlanddeutsche zu einer Geldstrafe von 780 Euro verurteilt.
Weil der Staatsanwaltschaft das Urteil zu milde erschien, ging sie in die Berufung. Bei der Berufungsverhandlung am 1. Juli sagte die junge Frau, eine Apothekerin, als Zeugin aus. Ihr Mann, ebenfalls Ägypter, der Doktorand am Dresdener Max-Planck-Institut ist, war mit im Gerichtssaal, ebenso der kleine Sohn des Paares, das seit vier Jahren in Deutschland lebte. Nach der Zeugenaussage stach der Angeklagte sie mit einem Messer nieder und verletzte auch ihren Mann schwer.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), besuchte den verletzten Witwer am Freitag im Krankenhaus. Frau Böhmer sagte: „Deutschland ist nicht islamfeindlich.“
FAZ.NET mit dpa/ddp