Abschalten deluxe
Einfach raus, niemanden mehr sehen, allein sein, total entspannen: Früher musste man dafür oft sehr weit reisen und vor Ort spartanisch leben. Mittlerweile locken immer mehr Ziele gestresste Großstädter mit dem Versprechen von Luxus und Abgeschiedenheit ganz ohne Entbehrungen. Für manche muss man nicht mal mehr die Stadt verlassen.
3. Februar 2022
Text: FLORIAN SIEBECK
„Nimm Essen mit“, hatte Suzanne noch gesagt, was abwegig klang, weil wir ja nur ein Wochenende in Amsterdam verbringen wollten. Aber gut. Das Ziel ist schließlich nicht irgendein Hotel, sondern eins, das verspricht, einen die Welt mit neuen Augen sehen zu lassen. Mal abzuschalten und rauszukommen, mitten in der Stadt. Das „Sweets“ ist kein klassisches Hotel. Es besteht aus 21 kleinen Häuschen, die über Amsterdam verteilt sind. Früher waren das die Schaltzentralen der Schleusen- und Brückenwärter. Die braucht niemand mehr, seit die Brücken ferngesteuert werden. Das „Sweets“ hat aus ihnen kleine Boutique-Hotels gemacht, vom asketischen Kubus bis zum detailverliebten Backsteinturm.
Wer früher einen Ausweg aus der Hektik der Großstadt suchte, dachte zuerst an die Wildnis. An Bretterverschläge und Lagerfeuerromantik. Heute wüssten viele gar nicht mehr, wie sie ohne Grillanzünder überhaupt ein Feuer machen sollten. Vor allem aber fehlen ihnen Zeit und Muße. Und Abenteuerlust. Abschalten ja, aber bitte mit Wi-Fi – in dieser Nische entstehen Konzepte wie das „Sweets“: Orte ohne Ablenkungen und Verpflichtungen, die eine kleine Auszeit vom Alltag versprechen, ohne dass man dafür die Stadt verlassen müsste. Ein Haus wie ein Reset-Knopf, in dem man sich und seine Gedanken mal ganz neu organisieren kann. Ob das funktioniert?
Eine Geschichte aus der aktuellen Ausgabe des Magazins der F.A.Z. „Frankfurter Allgemeine Quarterly“
Jetzt abonnierenGut: Hübsch sieht es ja aus, das Amstelschutsluis. Es liegt – der Name verrät es – auf einer kleinen Insel in der Amstel. Am Ufer wartet schon Marc Koning, der technische Leiter des Projekts. Die Bootsfahrt dauert keine fünf Minuten. Vermutlich wäre sie noch kürzer, wenn wir nicht in großem Bogen um das Haus herumführen, vorbei an der kunstvollen Fassade des Theater Carré und einem Übergang, den die Holländer „Magere Brücke“ nennen. Vom Steg führt eine kleine Treppe hinauf zum Haus. Marc zeigt uns die Annehmlichkeiten: Dusche, Küche, Musikanlage. „Ihr hättet mal sehen sollen, wie das früher hier aussah“, sagt er. „Eine Katastrophe, die Decke war nicht einmal zwei Meter hoch.“
Zugang zu allen exklusiven F+Artikeln
2,95 € / Woche
- Alle wichtigen Hintergründe zu den aktuellen Entwicklungen
- Mehr als 1.000 F+Artikel mtl.
- Mit einem Klick online kündbar
Login für Digital-Abonnenten
Sie haben Zugriff mit Ihrem F+ oder F.A.Z. Digital-Abo
Lesermeinungen