Frivolitäten im Bermudadreieck

Vom siebzig Meter hohen Belfried der Universitätsbibliothek wehen die hellen, metallenen Töne hinab durch die gepflasterten Gassen von Leuven, das auf Französisch Louvain und auf Deutsch Löwen heißt. Die Melodie umschmeichelt filigrane flämische Türmchen, Adels- und Zunfthäuser mit Fassaden wie Spitzenklöppelwerk, Gebetshäuser mit barocken Turmhauben. Schöpfer der Klänge ist Luc Rombouts, der mit seinen Fäusten auf die hölzernen Stöcke der Tastatur haut und mit seinen Füßen die Pedale traktiert. Während der Semester nimmt der Carilloneur, der an der Königlichen Glockenspielschule in Mechelen lehrt, Besucher zu einem Konzert mit hinauf in den Turm.
Der Aufstieg ist sportlich und erfolgt über dreihundert Stufen. Da bleibt Rombouts genug Zeit, um unterwegs die schicksalhafte Geschichte der Universitätsbibliothek zu erzählen. Nachdem im Ersten Weltkrieg die ursprüngliche Bibliothek, die in der mittelalterlichen Tuchhalle untergebracht war, mitsamt dreihunderttausend Büchern in Flammen aufgegangen war, wurde mit Geldern vor allem amerikanischer Universitäten an anderer Stelle eine neue Bibliothek im flämischen Renaissancestil errichtet. Im Zweiten Weltkrieg sollte auch sie ein Opfer der Bomben werden, nur der Belfried blieb stehen. Diesmal wurden neunhunderttausend Bücher zerstört, und wiederum waren es Spenden aus aller Welt, die den Wiederaufbau ermöglichten.
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