Grenzen des Datenschutzes

Man mag sich gar nicht vorstellen, welch gedämpfte Stimmung in diesen Tagen in der Staatsanwaltschaft Mainz herrscht. Eine Behörde, sonst über alle Zweifel erhaben, die nachweislich das Recht gebrochen hat. Nicht bloß gebogen, nicht gedehnt. Sie hat zugestimmt, dass polizeiliche Ermittler offenbar über eine „Finte“ an Daten gelangten, an die sie nicht hätten gelangen dürfen. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein Mann stürzt vor einer Gaststätte, er wird schwer verletzt. Wenige Tage später ist er tot. Aus einem möglichen Unfall wird ein mutmaßliches Tötungsdelikt. Und weil die Polizei wissen will, wer sich zum Zeitpunkt des Vorfalls in dem Lokal sonst noch aufgehalten hat, greift sie über eine Hintertür auf die Daten der Luca-App zurück. Die Daten dürfen jedoch ausschließlich von den Gesundheitsämtern zum Zwecke der Verfolgung von Infektionsketten genutzt werden. Von keinem sonst. So sieht es das Infektionsschutzgesetz vor.
So eindeutig dieser Fall bisher zu sein scheint und so groß die allgemeine Empörung darüber ist, dass ausgerechnet eine Staatsanwaltschaft sich an einer solchen Erschleichung von Daten beteiligt hat – so sehr rückt er doch ein Problem in den Mittelpunkt, das schon seit Jahrzehnten für gesellschaftlichen Zwiespalt sorgt. Nämlich die Frage, was am Ende schwerer wiegt: der Schutz von Daten oder die Gewissheit, dass einer Strafverfolgungsbehörde im Zweifelsfall alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um ein Verbrechen aufzuklären? Anders gefragt: Wie viel würde jeder Einzelne von sich preisgeben, wenn er damit eine Straftat aufklären kann? Muss der Datenschutz nicht angepasst werden, wenn es um Verbrechensbekämpfung geht?
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