FIFA soll Millionen für Arbeiter in Qatar zahlen

Ein halbes Jahr vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Qatar sieht sich der Internationale Fußball-Verband FIFA mit der Forderung konfrontiert, knapp 420 Millionen Euro zur Entschädigung von Arbeitern auf qatarischen Baustellen und deren Hinterbliebenen zurückzustellen.
Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Fair Square und Amnesty International sowie eine Koalition aus Gewerkschaften und Organisationen, die Arbeitsmigranten und Fußballfans vertreten, haben FIFA-Präsident Gianni Infantino in einem Brief aufgefordert, inadäquat vergütete Arbeiter auf WM-Baustellen und Infrastrukturprojekten, die der im November beginnenden WM dienen, zu kompensieren.
„Die FIFA sollte einen Betrag zurückstellen, der sich jedenfalls auf nicht weniger als die 440 Millionen Dollar beläuft, die als Preisgeld für Mannschaften zur Verfügung steht, die an der Weltmeisterschaft teilnehmen“, heißt es in dem Schreiben. Angesichts der von der FIFA erwarteten WM-Einnahmen von sechs Milliarden Dollar (5,7 Milliarden Euro) und 1,6 Milliarden Dollar (1,523 Milliarden Euro) Finanzreserven sei dies nur „ein kleiner Prozentsatz“.
Gemeinsam mit den qatarischen Veranstaltern solle der Verband ein „umfassendes Entschädigungsprogramm entwickeln“, um die Belange von Arbeitern zu adressieren, die weiterhin nicht gelöst sind. Zugleich fordern die Verfasser des Briefes Fußballverbände in aller Welt, insbesondere diejenigen, deren Nationalmannschaften in Qatar antreten werden, auf, sich hinter die Forderung zu stellen und deutlich zu machen, dass ihnen an der Entschädigung von entstandenem Leid im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft gelegen ist.
FIFA und die Menschenrechte
Explizit bezieht sich die Forderung nicht nur auf die Entschädigung etwaiger auf Stadionbaustellen eingesetzter und unangemessen vergüteter Bauarbeiter, sondern auch auf Arbeiter, die am Bau von Infrastruktur beteiligt waren, die der WM zugute kommt oder während der WM im Gastgewerbe eingesetzt werden. Über diese hat die FIFA keine direkte Aufsicht, allerdings hat sich der Verband in seiner 2017 angenommenen Menschenrechtsrichtlinie verpflichtet, negative Auswirkungen seiner Geschäftsbeziehungen zu analysieren und zu lindern, „auch wenn die FIFA nicht direkt zu den Auswirkungen beigetragen hat“, wie es in dem von Infantino unterschriebenen Dokument heißt. Als die Richtlinie im Juni 2017 vorgestellt wurde, hielt die FIFA explizit fest, dass darin ihre in Artikel 3 der FIFA-Statuten verankerte Verpflichtung auf die Menschenrechte zum Ausdruck komme.
Amnesty International veröffentlichte am Donnerstag zudem einen 62 Seiten umfassenden Bericht („Vorhersehbar und vermeidbar: Warum die FIFA und Qatar Rechtsverstöße rund um die WM 2022 entschädigen sollten“), der belegen soll, dass Rechtsverstöße in Qatar schon zum Zeitpunkt der Vergabe der Weltmeisterschaft durch die FIFA im Dezember 2010 bekannt waren und auch vorherzusehen gewesen seien.
Qatar zahlt 177 Millionen Euro für Beckham
Auf einer Online-Pressekonferenz erläuterten Vertreter der Organisationen an diesem Donnerstag ihre Forderungen. Nick McGeehan, Mitgründer der Organisation Fair Square, sagte, es komme nicht zuletzt auf nationale Fußball-Verbände an, die ihre Mannschaften zur WM nach Qatar schicken. „Wenn sie uns unterstützen, kommt die Hilfe zustande. Die entscheidende Frage ist: Wollen sie Abhilfe schaffen für Arbeiter und deren Familien?“
Minky Worden, Direktorin für weltweite Initiativen bei Human Rights Watch, erinnerte daran, dass ihre Organisation seit 2015 „mit mindestens drei DFB-Präsidenten“ über Menschenrechtsverpflichtungen gesprochen habe. Dem Deutschen Fußball-Bund wie etlichen weiteren Verbänden sei klar und deutlich angeboten worden, dass sie durch ihre Unterstützung „demonstrieren können, dass sie mit den Menschenrechtsverletzungen nicht in Verbindung gebracht werden wollen“. Alle an der Weltmeisterschaft beteiligten Organisationen müssten sich verpflichten, das Leid auszugleichen, das die Veranstaltung mit sich bringe.
An einem „mangelt es jedenfalls offensichtlich nicht“, sagte Mustafa Qadri: „Cash.“ Der Gründer der Research- und Consultingagentur Equidem, die sich auf Menschen- und Arbeitsrechtsuntersuchungen spezialisiert hat, erinnerte daran, dass es sich die qatarischen Weltmeisterschaftsorganisatoren 150 Millionen britische Pfund (177,1 Millionen Euro) kosten lassen, David Beckham als Werbefigur für ihre Veranstaltung auftreten zu lassen. „Warum zahlen sie nicht die Löhne und entschädigen in Schadenersatzfällen?“
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