Was steckt hinter den Aussagen von Haaland?

Immerhin hatte Erling Haaland seinen Humor nicht ganz verloren, als er am Freitagabend nach dem 5:1-Sieg seines BVB gegen den SC Freiburg jene Worte formulierte, die schnell zum „Wut-Interview“ („Bild“-Zeitung) aufgeblasen wurden. Bevor er seine aufsehenerregenden Aussagen über seine Zukunftspläne formulierte, scherzte Haaland noch über die Torkrise, die er gerade mit seinen beiden Treffern überwunden hatte.
„Ich war plötzlich in der Torflaute meines Lebens“, sagte er in Anspielung auf Schlagzeilen über seine zwei Partien ohne Treffer vor dem Freiburg-Spiel und scherzte: „Und jetzt sind schon wieder 25 Minuten verstrichen, seit ich getroffen habe, die nächste Flaute ist schon wieder im Anmarsch.“ Seit seinem zwischenzeitlichen 4:1 gegen die Freiburger sind zwar nur 15 Spielminuten vergangen, aber die Ironie seiner Worte war schon klar. Ganz im Gegensatz zu den Hintergründen der Aussagen, die dann folgten.
Am Ende des rund fünfminütigen Gesprächs, das der ehemalige norwegische Nationalspieler Jan-Aage Fjortoft für den Streaming-Dienst Viaplay Football führte, berichtete Haaland, dass er nicht damit einverstanden sei, wie er von der Dortmunder Klubführung behandelt werde. „Sie haben angefangen, viel Druck auf mich auszuüben“, sagte der Stürmer, weil die Verantwortlichen beim BVB öffentlich erklärt hatten, dass sie gern bald darüber Bescheid wüssten, ob Haaland im Sommer von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen möchte, um sich einem anderen Verein anzuschließen.
„Ein bisschen überrascht“
Oder ob er sich vorstellen kann, noch ein weiteres Jahr im Revier zu bleiben. Trotz der vielen Gerüchte um seine Zukunft habe er „in den vergangenen sechs Monaten entschieden, nichts zu sagen – aus Respekt vor Dortmund“, erklärte Haaland auf Norwegisch. „Aber jetzt hat der Klub angefangen, mich zu einer Entscheidung zu drängen. Alles, was ich will, ist Fußball spielen. Aber sie machen mir Druck, dass ich jetzt eine Entscheidung über meine Zukunft treffen soll. Deswegen muss ich bald eine Entscheidung fällen.“
Haaland wirkte ganz ruhig, als er diese Vorwürfe erhob, von Wut kann keine Rede sein. Vielmehr erscheint der ganze Auftritt wohldurchdacht und geplant, zumal der Interviewer Fjortoft ein ehemaliger Mitspieler von Erlings Vater Alf-Inge und ein Bekannter der Familie ist. Die Motive hinter der Aktion liegen aber im Dunkeln.
Er sei „ein bisschen überrascht über die Aussagen“, sagte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl am Sonntag im Sport1-Doppelpass. „In den nächsten Tagen werde ich mit ihm darüber sprechen, was ihn gerade bewegt und wieso er nach einem 5:1-Sieg darauf kommt, dieses Thema so zu platzieren und so stark von Druck zu sprechen“, kündigte Kehl an.
Alle Klubverantwortlichen versichern, dass es kein Ultimatum gebe, niemand erwarte eine schnelle Entscheidung, aber die Dortmunder hätten gern eine Tendenz zu der Frage, ob sie sich darauf einstellen sollten, die festgeschriebenen 75 Millionen Euro für Haaland zu erhalten und einen neuen Stürmer suchen zu müssen.
Oder ob eine gute Chance besteht, dass der Torjäger noch ein Jahr länger bleibt. „Weil er so wichtig für uns ist, muss ab einem gewissen Punkt für uns Planungssicherheit herrschen“, sagte Kehl. „Wie soll ich denn, bitteschön, meine Kaderplanung vorantreiben, wenn wir nicht zu einem gewissen Zeitpunkt eine Tendenz mitbekommen.“
Eigentlich handelt es sich um einen selbstverständlichen Vorgang. Dass nun ein solches Drama aus der Sache gemacht wird, könnte darauf hinweisen, dass es bisher keinen Verein gibt, der ernsthaft bereit ist, die Ablöse und das enorme Gehalt für Haaland zu bezahlen. Der Berater Mino Raiola soll im vergangenen Jahr in Sondierungsgesprächen mit dem FC Chelsea 50 Millionen Euro pro Jahr gefordert haben.
Für die Dortmunder Hoffnungen, dass Haaland vielleicht bleibt, ist die ganze Angelegenheit in jedem Fall ein Rückschlag. Denn die Atmosphäre für harmonische Gespräche, an denen auch BVB-Ausrüster Puma durch Verhandlungen über einen persönlichen Vertrag mit Haaland beteiligt sein könnte, wäre ohne das Interview gewiss besser.
Fußball-Bundesligaverein Borussia Dortmund muss zumindest die nächsten beiden Spiele auf Mittelfeldspieler Emre Can verzichten. Der 28-Jährige erlitt beim 5:1 im Heimspiel gegen den SC Freiburg am Freitag eine Muskelverletzung im Adduktorenbereich. Das teilte der Klub am Sonntag mit. Der BVB spielt am Dienstag im DFB-Pokal bei Zweitliga-Spitzenreiter FC St. Pauli, am Samstag geht es in der Bundesliga zur TSG 1899 Hoffenheim. Can wurde bereits in der Hinrunde von muskulären Problemen zurückgeworfen. Insgesamt kam der Nationalspieler in dieser Saison in 28 Pflichtspielen nur 15 Mal zum Einsatz. (dpa)