„Ich weine normalerweise nicht“

Im Moment des größten Erfolges entdeckte Emil Forsberg ganz neue Seiten an sich. „Ich weine normalerweise nicht, aber nach dem letzten Elfmeter habe ich geweint und es war ein geiles Gefühl. Ich war so stolz und so glücklich“, sagte der Angreifer von RB Leipzig und gab gleich noch einen Hinweis, wie er die bevorstehende Nacht zu verbringen gedenke. „Ich hab Bock auf Bier. Ich bin aus Schweden, wir können auch saufen“, sagte Forsberg und entschwand. Zuerst in die Kabine, dann in die Stadt von Berlin, wo nach forsbergschem Gustus bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wurde.
RB Leipzig hat den DFB-Pokal gewonnen. Zum ersten Mal überhaupt. Nicht weniger als historisch ist dieses 4:2 nach Elfmeterschießen gegen den SC Freiburg. Nach 120 Minuten hatte es wieder 1:1 gestanden. Bereits die beiden Vergleiche in der Bundesliga waren mit diesem Ergebnis geendet. Dieses Mal aber musste es einen Sieger geben und das waren die Leipziger, weil ihre Schützen Christopher Nkunku, Willi Orban, Dani Olmo und Benjamin Henrichs trafen, während die Freiburger Christian Günter und Ermedin Demirovic verschossen.
„Ich habe nicht gesehen wie wir alle reingehauen haben, aber wahrscheinlich waren alle sauber“, sagte Peter Gulacsi. Leipzigs Torwart hatte sich bei jedem Schuss seiner Mitspieler weggedreht. Aus Aberglauben. Aus Anspannung. Aus Nervosität.
RB Leipzig allen Widrigkeiten zum Trotz
Gulacsi hatte Recht, Leipzigs Elfmeter waren alle „sauber“, also nicht zu halten für den Freiburger Torwart Mark Flekken. Dieses Urvertrauen ineinander und der Glaube an sich und die Mitspieler waren es, was die Leipziger überhaupt erst in dieses Elfmeterschießen gebracht hatten. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Dem Freiburger Führungstor von Maximilian Eggestein war ein klares Handspiel vorausgegangen und dann hatte Marcel Halstenberg Anfang der zweiten Halbzeit auch noch die rote Karte gesehen nach einer Notbremse.
Das Spiel hatte alles, was man sich gemeinhin von einem Endspiel wünscht. Spannung, Dramatik, Torraumszenen und etliche Entscheidungen, über die man trefflich diskutieren konnte. „Alles egal. Wir haben gewonnen“, sagte Forsberg kurz nach Spielschluss.
So sehr und seine Mitspieler sich freuten, Leipzigs Sieg löste außerhalb der eigenen Anhängerschaft wenig Begeisterung aus. Abgesehen von der TSG Hoffenheim und Oliver Kahn, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern, erreichte RB über soziale Netzwerke zunächst kein offizieller Glückwunsch eines anderen Vereins. Die Klubs schwiegen beim ersten Titelgewinn des erst vor 13 Jahren gegründeten und durch hohe Zuwendungen eines Getränkeherstellers alimentierten Rivalen. Bereits im Vorfeld hatte Gegner Freiburg die Herstellung eines gemeinsamen Fanschals zum Finale untersagt. Aktive Fanszenen stehen dem Leipziger Konzernklub seit jeher kritisch gegenüber.
So gab es auf der anderen Seite reichlich Trost für den SC Freiburg. Union Berlin etwa schrieb: „Ihr hättet es verdient gehabt. Lasst euch dennoch feiern, diese historische Pokalreise kann euch keiner nehmen!“ Union war zuvor im Halbfinale auf dramatische Weise gegen RB Leipzig ausgeschieden (1:2). Dem Berliner Tenor schlossen sich vor allem in den Sozialen Medien viele Anhänger anderer Mannschaften an.
Außerhalb von Freiburg und Leipzig hatten es viele Fans mit dem SC gehalten, der seit Ewigkeiten mit einem vergleichsweise geringen Etat immer wieder Achtungserfolge erzielt und als Musterbeispiel für seriöses Arbeiten und Wirtschaften gilt. Während Leipzig nach zwei Niederlagen 2019 und 2021 bereits sein drittes Pokalfinale bestritt, stand Freiburg zum ersten Mal im Endspiel. Dass der SC eine Serie mit drei Finalteilnahmen in vier Jahren wie die Leipziger folgen lässt, ist eher unwahrscheinlich. Entsprechend innig feierte der Anhang Spieler und Trainer.
Dass Christian Streich „der beste Mann“ ist, war vor und nach der Siegerehrung immer wieder lautstark zu hören. Die Zeremonie hatte sich wegen eines medizinischen Notfalls verzögert. Ein Mann, der nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kein Zuschauer war, musste behandelt und mit dem Notarztwagen aus dem Stadion gebracht werden. Nach Angaben der Berliner Feuerwehr vom späten Samstagabend wurde die Person erfolgreich reanimiert. Der Mann hatte demnach wieder Puls und Atmung, als er in das Krankenhaus gefahren wurde. Über seinen Zustand gab es am Sonntag zunächst keine neuen Informationen.
„Das überschattet es aber für uns ist das ein unglaublicher Moment“, hatte Peter Gulacsi nach dem Spiel gesagt. Der Torwart spielte schon in der zweiten Liga für Leipzig, er ist mit dem Klub gewachsen, ähnlich wie Emil Forsberg, Willi Orban oder Yussuf Poulsen, die sogar noch länger da sind.
„Für den ganzen Verein ist es etwas ganz Besonderes, der erste Titel der Vereinsgeschichte. Ich hoffe, das ist nur der Anfang“, sagte Orban. Seinen Elfmeter hatte er gerade noch mit letzter Kraft ins Tor befördert, sofort nach dem Schuss plagten ihn Krämpfe. Keine guten Voraussetzungen für das was da noch kam und kommen soll. Für den Sonntag ist der Eintrag der Mannschaft ins goldene Buch der Stadt Leipzig geplant, anschließend soll eine große Party samt Fanfest vor dem Stadion folgen. Notfalls auch mit Krämpfen, aber das dürfte den meisten Spieler egal sein nach diesem Erfolg.
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