Flüchtige Magie
Maradona ist tot. Maradona lebt. Diego – der digital archivierte Weltstar. All die Pässe, die Dribblings, Tore, Tritte, Tränen: Youtube. Der moderne Trauerreflex, die Dauerschleife, versprochen schon 1986 auf der Werbebande im Estadio Azteca: JVC VH Video. Toni hält den Ball nicht, nein, aber die Zukunft stand neben dem Tor. Sie würde nie wieder gehen.
Und so war Maradona auch: die letzte analoge, globale Sportikone. Als die Nachricht von seinem Tod am Mittwoch binnen Sekunden die Welt bewegt, greift, zum Beispiel, ein Fotograf in Teheran in die Schublade. Öffnet das Superhelden-Album aus Kindheitstagen, mit den Zeitungsartikeln, den Fotos: Aufstieg und Fall des Diego Armando Maradona, beschrieben auf Farsi, in breiten Überschriften und eng gesetzten Kolumnen, Bildern in Schwarzweiß, ausgeschnitten, eingeklebt und abgeheftet vor Jahrzehnten.
Die Magie der großen, flüchtigen Augenblicke, einst archiviert am Morgen danach, in kindlicher Gewissenhaftigkeit, vermeintlich einsam, tatsächlich in beruhigender Synchronität: Die Archive der Kinder hielten diese Welt zusammen von einem Ende zum anderen, in Teheran, in Tokio, Buenos Aires und Berlin, West und Ost. Fußball, der größte gemeinsame Nenner. Längst räumt der Platz auf den Servern die Schubladen leer, nicht nur das Album aus Teheran steht nun auf Instagram. Digitalisierte Erinnerung, alles abrufbar, in jeder Sekunde. Aber das ist Technik, keine Magie.