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Weltcup-Reitturnier

Ein unverhoffter Sieg für Ingrid Klimke

Von Julia Basic, Stuttgart
13.11.2022
, 09:29
Ingrid Klimke gewinnt mit Franziskus die Weltcup-Dressur in Stuttgart. Bild: dpa
Der Hengst Franziskus gewinnt die Weltcup-Kür in Stuttgart mit neuer Gelassenheit. Damit überrascht er nicht nur seine Reiterin, die ein turbulentes Jahr hinter sich hat.

Wenn eine Dressurreiterin auf den letzten Metern ihrer Grand-Prix-Kür vor Freude lächelt, die Zügel locker in eine Hand nimmt und ihr Pferd mit Volldampf auf den Tisch des Chefrichters zutraben lässt, dann muss die vorangegangene Prüfung gut gelaufen sein. So tat es Ingrid Klimke am Samstagabend auf der Schlusslinie ihrer Weltcup-Kür in der Stuttgarter Schleyer-Halle, gab ihrem Hengst Franziskus das Signal zum Halten und klopfte ihm lobend den Hals.

Das Publikum auf den Rängen hatte da schon längst zu klatschen und zu jubeln begonnen. Klimke und ihr Pferd hatten es zuvor gut unterhalten: Zu Latino-Pop-Musik trabten, galoppierten und piaffierten sie durch das Dressurviereck und überzeugten damit auch die Wertungsrichter. 83,44 Prozentpunkte erhielt das Paar aus Münster, das noch nie zuvor eine solch hohe Benotung erreicht hatte und damit diesen Wettbewerb gewann.

Der Applaus für das zuvor gestartete Paar war noch nicht abgeebbt, als Klimke mit dem Hengst die Arena betreten hatte. „Ich war schon total begeistert, dass Franz bei dem tosenden Applaus ganz ruhig und gelassen blieb. Er kann ja auch mal forsch darauf reagieren“, sagte die Reiterin später.

Nachdem das internationale Stuttgarter Reitturnier wegen der Corona-Pandemie zwei Jahre lang nicht hatte stattfinden können, waren die rund 8000 Tickets für die Weltcup-Kür am Samstagabend laut Veranstalter ausverkauft, die Ränge bis unter das Hallendach voll besetzt. Entsprechend unruhig war die Atmosphäre. Als die Glocke und somit ihr Startsignal ertönte, sagte Klimke, habe sie aber gemerkt: „Jetzt ist er total bei mir und macht mit. Als dann die Musik losging, war mir klar: Jetzt läuft’s.“

Piaffen zu spanischer Popmusik

Beim Herausreiten aus dem Prüfungsviereck winkte Klimke abwechselnd ins Publikum und tätschelte Franziskus, der ganz entspannt in Richtung Ausgang schritt, immer wieder den glänzenden Hals. Dankbar dafür, dass das Pferd, das auch als aktiver Zuchthengst im Einsatz ist, diesmal nicht seine machohafte Seite zeigte und seine Dominanz nicht noch kurz vor dem Start mit einem Bocksprung unter Beweis stellen wollte.

Ohne Fehler absolvierten Klimke und Franziskus ihr Kürprogramm, immer passend abgestimmt auf die Melodien von Alvaro Soler, Enrique Iglesias oder Luis Fonsi. Insbesondere für den starken Trab und den starken Galopp, wo Franziskus mit der ganzen Kraft seines muskulösen Pferdekörpers den Sand unter seinen Hufen wegfliegen ließ, erhielt das Paar hohe Noten.

Höhepunkt des Turnierjahres

Der Sieg beim Stuttgarter Weltcup-Turnier kam für Klimke, wie sie selbst sagte, „wirklich unverhofft“ und er ist ein Höhepunkt eines für sie turbulenten Jahres. Unzählige Medaillen hat die 54-Jährige im Vielseitigkeitsreiten schon gewonnen. In diesem Jahr fügte sie ihrer Sammlung noch zwei Bronzemedaillen in der Spezialdisziplin Dressur hinzu. Nach einem dritten Platz mit Franziskus bei den Deutschen Meisterschaften wurde sie für den CHIO Aachen nominiert und startete dort in drei Disziplinen: Dressur, Springen und Vielseitigkeit.

Anschließend erhielt sie erstmals einen Platz im Team für eine Dressur-WM und belegte im August in Dänemark mit der deutsche Equipe Platz drei. Die Einzelwertung bei der WM schloss sie mit Franziskus auf Rang 19 ab, für die Kür hatten sie sich nicht qualifiziert.

Am liebsten wäre Klimke danach noch bei der Vielseitigkeits-WM in Italien gestartet. Doch wegen ihres Einsatzes bei der Dressur-WM konnte sie nicht an dem finalen Sichtungsturnier teilnehmen. Für ihre Zusammenarbeit mit Franziskus hatte das aber einen Vorteil: Sie hatte mehr Zeit für ihn, weil sie weniger auf Vielseitigkeitsturnieren und mehr zu Hause war.

Mit neuer Gelassenheit

Die neue Gelassenheit des 14 Jahre alten Hengstes beschreibt Klimke als Folge eines abwechslungsreichen Pferdelebens. Nach der Dressur-WM erhielt Franziskus eine Pause. „Pause heißt bei ihm: aktives Erholen“, erklärte Klimke in Stuttgart. Dazu gehörten auch mal Sprünge über kleine Hindernisse, das Galoppieren auf der Rennbahn, viel grasen und wälzen an der frischen Luft. „Wir wollten ihn locker und geschmeidig halten, damit er frisch und fröhlich bleibt. Ich bin auch eine Weile keine Lektionen mit ihm geritten.“

Die so erhaltene Frische nahm der Hengst nun mit in die Wintersaison. Ende Oktober gewann er sein erstes Weltcup-Turnier in Polen, jetzt das zweite in Stuttgart. Mit 40 Punkten liegt Klimke auf Rang zwei der aktuellen Rangliste der europäischen Reiter, die sich für das Weltcup-Finale an Ostern 2023 in den USA qualifizieren wollen. In Führung liegt Benjamin Werndl, der in Stuttgart mit seinem Pferd Daily Mirror Rang drei belegte. Noch acht weitere Qualifikationsturniere stehen bis April 2023 auf dem Turnierkalender.

Isabell Werth belegt mit dem Hengst Quantaz Platz zwei in der Weltcup-Kür. Bild: dpa

Nur drei Startplätze stehen im Finale für deutsche Reiter zur Verfügung. Einer davon ist bereits für die Titelverteidigerin Jessica von Bredow-Werndl reserviert. Vor zwei Wochen hatte die Olympiasiegerin von Tokio und Weltranglistenerste mit Dalera die Weltcup-Kür in Lyon gewonnen – nur wenige Wochen, nach sie im August ihr zweiten Kind zur Welt gebracht hatte. In Stuttgart startete sie nicht mit ihrem Spitzenpferd Dalera, sondern mit dem Wallach Ferdinand und wurde Zehnte in der Kür.

Den dritten Platz des Weltcup-Rankings belegt derzeit Isabell Werth. Sie hatte in Stuttgart mit dem Hengst Quantaz den Grand Prix vor Klimke gewonnen und am Samstagabend Platz mit 82 Prozent Platz zwei belegt. Ihre Kür hatte einen besonders hohen Schwierigkeitsgrad, doch die Feinabstimmung zwischen Reiterin und Pferd war noch nicht zu einhundert Prozent gegeben, was zu Fehlern in einer Galopppirouette und bei den fliegenden Galoppwechseln führte.

Werth freute sich dennoch über Quantaz‘ positive Entwicklung seit der WM, bei der sie Neunte in der Kür geworden war, und nahm das Ergebnis von Stuttgart sportlich: „Wenn du gewinnen willst, musst du selbst fehlerfrei bleiben und darfst nicht auf die Fehler der anderen hoffen.“

Weltcup-Reitturnier hat eine Zukunft in Stuttgart

Das Stuttgarter Hallenreitturnier „German Masters“ erfährt nach zweijähriger Corona-Pause wieder viel Zuspruch von Zuschauern und Teilnehmern. Die besten Reiter Europas dürfen darauf hoffen, auch weiterhin in Stuttgart um Weltcup-Punkte reiten zu können. Die 1982 erbaute Schleyer-Halle, in der das Turnier seit 1985 stattfindet, ist in die Jahre gekommen und ihre Zukunft eng mit der des Turniers verknüpft.

Ein Abriss der Halle ist unvermeidlich: „Sie ist zu niedrig für spektakuläre Produktionen und sie bietet zu wenig Sitzplätze auf den Rängen. Moderne Eventarenen können meistens 14.000 Personen oder mehr aufnehmen“, sagt Andreas Kroll, Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft in Stuttgart. Auch die Veranstaltungs- und Energietechnik sei veraltet. „Eine Modernisierung bzw. Ertüchtigung im Bestand ist nicht möglich. Die Bausubstanz lässt das nicht zu.“

Wann die alte Halle abgerissen und eine neue fertiggestellt wird, steht noch nicht fest. Derzeit werde aber an einer Machbarkeitsstudie gearbeitet, anschließend gehe es in die Planung. „Realistisch betrachtet wird der Abbruch nicht vor 2026 umgesetzt werden können“, blickt Kroll voraus.

Das Turnier soll auch nach dem Abbruch weiterhin in Stuttgart stattfinden, es werde nach einer Übergangslösung für die Zeit während der Bauarbeiten gesucht. „Als Veranstalter halten wir an unserem Stuttgart German Masters fest. Wir haben ein begeistertes und treues Reitpublikum und wir sind überzeugt, dass wir auch in Zukunft ein erfolgreiches Reitturnier durchführen können. (jbc.)

Quelle: F.A.Z.
Julia Basic
Sportredakteurin.
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