Mit reichlich Liebe in den Beinen

Was Berufsradfahrer vor einem Renntag so machen? Beine hochlegen im Hotelzimmer, fernsehen, lesen, ein bisschen auf dem Handy daddeln. Alltag für fahrendes Volk im Profizirkus. Nichts deutete darauf hin, dass der 30. April 2016 das Leben von Pieter Vanspeybrouck so nachhaltig prägen würde.
Er lag da also auf einem Hotelbett – am nächsten Tag, dem 1. Mai, sollte er bei der Taunusschleife Eschborn–Frankfurt in die Pedale treten. Der Belgier bemerkte nicht, dass sein Zimmergenosse sich seines Handys bemächtigt hatte und über eine Dating-App nach Bildern von kontaktfreudigen Frauen in der Umgebung suchte.
Eine Frankfurterin zeigte virtuell Interesse an Vanspeybrouck, man schrieb sich hin und her. Sie besuchte ihn in Belgien, er kam an einem rennfreien Wochenende an den Main zu Besuch.
Fünf Jahre später geht der inzwischen 34-Jährige an diesem Sonntag beim Frankfurter Radrennen als eine Art unbekannter Lokalmatador an den Start. Denn seit drei Jahren lebt Vanspeybrouck in Bad Soden-Neuenhain – mit seiner hessischen Frau und den zwei gemeinsamen Kindern.
Reichlich Wumms in den Beinen
Die Taunusschleife wird von seinem Trainingsrevier nun wieder zur Rennstrecke. „Ich liebe das Rennen, ich liebe den Taunus“, sagt er in mittlerweile sehr gutem Deutsch. Für einen Allrounder, der von seinem zur erstklassigen WorldTour gehörenden Team Intermarché-Wanty-Gobert vorrangig für Helferaufgaben bei Eintagesrennen eingesetzt wird, sei das ein toller Standortvorteil.
Zumal er sich mit dem Oberurseler John Degenkolb bis zu dreimal je Woche zu einer tatkräftigen Trainingsgemeinschaft zusammenschließt. Ein Team Taunus mit reichlich Wumms in den Beinen. Auch Degenkolb ist einst der Liebe wegen in die Region gezogen. Übrigens: Vanspeybrouck erzielte am 1. Mai 2016 mit Platz vier eines der besten Resultate seiner Karriere. Sozusagen mit reichlich Liebe in den Beinen.