Die Front verläuft jetzt durch die eigene Wohnung
Die Maskenpflicht in Corona-Zeiten mag lästig sein, aber sie hat immerhin einen positiven Effekt: Sie macht uns genauer mit dem bekannt, was sie unseren Blicken entzieht. Vor Corona hätte man wahrscheinlich, ohne sich weiter zu besinnen, der konventionellen Auffassung zugestimmt, dass der Ausdruck eines Menschen sich in seiner Augenpartie konzentriert. Aber wer oft genug in Gesichter ohne Mund, Kinn und Wangen schauen muss und auch von der Nase unter der Maske nur eine Ausstülpung sieht, gerät darüber in Zweifel. Er oder sie fängt an zu sinnieren, ob nicht das Eigentümliche eines menschlichen Antlitzes seinen Ort im Lippenverlauf und vor allem in den Mundwinkeln hat, die uns die unmittelbarste mimische Information über Stimmung und Charakter unseres Gegenübers übermitteln. Sind also die Mundwinkel und nicht die Augen der eigentliche „Spiegel der Seele“? Und sind wir, wenn wir uns maskiert begegnen, Wesen, die sich wechselseitig ihre „Seele“ verbergen?
Die Vorstellung von den Augen als Seelenspiegel ist alt und weist in die Geschichte eines bereits in der Antike verwendeten Gesichtserkennungsverfahrens, der Physiognomik, zurück. Sie hängt eng mit einer Hierarchie der Gesichtsregionen zusammen, die bis in die Anfänge der Moderne hinein Bestand hatte. Ihr zufolge war das Gesicht in drei Zonen untergliedert. Darin entsprach es dem menschlichen Körper als Ganzes, der sich der alteuropäischen Menschenkunde gemäß in drei Seelenregionen aufteilte.
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