Der Duft der Kollaboration
Es war eine Aktion, als wäre sie der überbordenden Phantasie einer Modeschöpferin entsprungen – und das war sie ja auch. Winter 1943/1944, Coco Chanel reiste an der Seite ihres Geliebten, des deutschen Offiziers Hans Günther von Dincklage, aus Paris nach Berlin, es herrschte Eiseskälte, die Kriegszerstörungen in der Hauptstadt waren schon unübersehbar, im Reichssicherheitshauptamt traf sie Walter Schellenberg, einen der obersten Geheimdienstmänner der SS. Was für eine Idee! Die Modeschöpferin sollte für den deutschen Geheimplan eines Separatfriedens mit England ihre Kontakte zum britischen Premierminister Winston Churchill nutzen, den sie seit den zwanziger Jahren gut kannte. Die geheime Mission, Codename „Operation Modellhut“, scheiterte schließlich. Nicht an ihr, der Agentin F-7124, denn sie reiste nach Madrid, um alles einzufädeln – sondern an Churchills schwerer Lungenentzündung.
Ihrem Ruf konnte die Zusammenarbeit mit dem Feind nicht viel anhaben. „Ich bin überrascht, dass meine Landsleute meine Enthüllungen so ohne Protest hingenommen haben“, sagte die Chanel-Biographin Edmonde Charles-Roux einst der F.A.Z. Schon 1974 hatte sie nachgewiesen, dass Coco Chanel eine Kollaborateurin gewesen war. Vielleicht trösteten sich die Franzosen damit, dass sie auch mit Engländern verbandelt war? Als sie nach der Befreiung von Paris 1944 im Hotel Ritz, wo sie wohnte, festgenommen wurde, kam sie schon nach wenigen Stunden wieder frei, womöglich dank der Hilfe Churchills. So entging sie dem Schicksal der französischen „Soldatenliebchen“, mit rasiertem Kopf und nackt durch die Straßen gejagt zu werden. Sie floh gleich nach Lausanne, wo Dincklage schon wartete, und blieb dort sicherheitshalber ein ganzes Jahrzehnt, bis sie 1954 ihre zweite Karriere in Paris begann.
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