Wo Gaming eine Religion ist

Mit links gießt Mark ein Glas Wasser ein, mit rechts kämpft er weiter. Eigentlich ist er schon offline, quasi nicht mehr auf Sendung, an diesem Donnerstagabend hat er schon sechs Stunden im Spiel hinter sich. Sein Arbeitstag ist eigentlich zu Ende. „Ich mache nur noch ein bisschen weiter, einfach so“, sagt er, „dieses eine Spiel noch.“ Dann stockt er mitten im Satz, schaut wieder auf seinen 70-Zentimeter-Bildschirm, der nur eine Millisekunde Reaktionszeit habe, das ist sehr schnell, hier geht es um jede Bewegung. Mark Christensen alias Zipeth ist Streamer und E-Sportler, er ist einer der Besten in dem Videospiel Apex Legends. Sein Büro ist eine schwarz gestrichene, spärlich eingerichtete Box. Großer Computertisch, Mikrofon und Kamera, die auf ihn gerichtet ist, Dosen mit Energydrinks.
Mark erzählt, er spiele etwa vier Tage pro Woche live, ein paar hundert schauen ihm online immer dabei zu. Dann schweigt er plötzlich. Im Spiel passiert etwas. Mark lässt seine Spielfigur auf ein Dach springen, hinter eine Säule huschen, immer ist er in Bewegung, es geht so schnell, dass man kaum erkennt, was er tut. Vor ihm, auf einem Parkplatz, etwa fünfzig Meter entfernt wäre das, wenn es Realität wäre und nicht ein Game, schleichen zwei andere Kämpfer. Zipeth schießt. Er trifft jedes Mal. Und dann ist es aus. Der 24-Jährige lehnt sich in seinen schwarzen Gamer-Stuhl zurück. Die beiden waren die letzten von 60 anderen Spielern in dieser Arena. Mark ist der Sieger, der Last Man Standing. Fast jedes Spiel gewinnt er so. Deswegen ist er hier beschäftigt, beim „LVL“ in Berlin, als Berufsspieler. Zocken als Job, das ist für viele Jugendliche heute ein Traum – und für ein paar tatsächlich eine realistische Perspektive.
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