Wenn zu Hause bleiben keine Option ist
Immer nur zu Hause bleiben – was für viele Deutsche im Lockdown zunehmend zum Albtraum wird, ist Pauls Sehnsucht. Er wäre froh, wenn er überhaupt ein zu Hause hätte. Seit 23 Jahren, so erzählt es der Mann mit dem krausen Haar, lebt er auf der Straße. Sein Hab und Gut passt in die drei Taschen, die er auf sein altes Rennrad geschnürt hat. Früher, bevor er sich mit seiner Familie überworfen hat, habe er als Möbelrestaurateur gearbeitet. Aber das ist lange her. Jetzt, mit 63 Jahren, schlägt er sich so durch. Während andere Menschen in diesem Alter überlegen, wo sie ihren Ruhestand verbringen, hat Paul keinen Plan, wie er jemals wieder ein Dach über dem Kopf haben könnte.
Wenn die Temperaturen wie an diesem Januartag nachts ins Minus fallen, ist sein Alltag besonders hart. In normalen Zeiten übernachtet der Frankfurter dann in einem der Schlafsäle, die Stadt und Hilfsorganisationen bereitstellen. 425 Notmatratzen liegen bereit. Im Moment sei ihm das aber zu riskant. „Ich höre viel Radio, ich weiß, wie gefährlich Corona ist“, sagt Paul und zupft sich seine schmutzige Stoffmaske vor dem Mund zurecht. Ein warmes Mittagessen bekommt er bei der Caritas, aber auch da traue er sich wegen der vielen Menschen kaum noch hin. Einer seiner Bekannten von der Straße sei gerade mit Corona-Verdacht im Krankenhaus gelandet. Das soll ihm auf keinen Fall passieren. Kälte und ein leerer Magen sind für ihn offenbar das kleinere Übel.
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