Wie die Sanktionen das Verhältnis zwischen Oligarchen und Kreml verändern

Putins Krieg in der Ukraine und die darauf folgenden westlichen Sanktionen haben ein zentrales Kennzeichen des postsowjetischen Wirtschaftswandels in den Blickpunkt gerückt, den Aufstieg und die Konsolidierung der russischen Oligarchie, zuerst in der Ära von Boris Jelzin, später unter Wladimir Putin. In der russischen Geschichte ist seit der frühen Neuzeit die Präsenz mächtiger politischer Akteure mit beträchtlicher Wirtschaftsmacht zu beobachten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist es seit den 1990er Jahren zu einem intransparenten Erwerb von Mehrheitsvermögenswerten in Russlands strategischen Sektoren wie Öl und Metallurgie sowie in der Medien- und Finanzindustrie gekommen. Zu den prominentesten russischen Oligarchen in der frühen Post-Sowjetunion-Ära gehören etwa Michail Chodorkowskij, Boris Beresowski, Anatoli Tschubais, Alexander Smolenskij, Wladimir Gusinskij und Yuri Lushkow. Ihr Reichtum basierte auf ihren politischen Vernetzungen und auf intransparenten Auktionsverfahren bei der Privatisierung von Staatsvermögen. Lukrative Industriebeteiligungen gingen damals in undurchsichtigen Auktionen zu Billigpreisen an private Besitzer.
Der Unterschied zwischen Jelzins und Putins Oligarchen liegt in ihrer Verbindung mit Russlands Geheimdiensten. Anders als in der Ära Jelzin, stiegen in Putins Amtszeit Männer auf, die in den inneren oder auswärtigen Geheimdiensten verwurzelt waren. Der amerikanische Politikwissenschaftler Daniel Treisman spricht von „Silowarkhi“, einem Kunstwort aus den Begriffen Silowiki (Sicherheitskräfte) und Oligarchen. Angesichts Putins eigener beruflicher Herkunft aus dem sowjetischen KGB wurde diese Entwicklung als Bestrebung Putins interpretiert, seine Macht abzusichern.
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