Der teure Kampf um Aufmerksamkeit

Sechs Tage lang hat Mathieu van der Poel im vergangenen Jahr das Gelbe Trikot des Gesamtführenden bei der Tour de France getragen. Weil der 27 Jahre alte Radprofi recht erfolgreich fährt und wegen seiner unterhaltsamen Art sehr viele Fans hat, macht der Niederländer nicht nur seinem Team große Freude. „Der Wert des Sponsorings ist sehr gut momentan“, sagt Eduard R. Dörrenberg, der geschäftsführende Gesellschafter des Bielefelder Familienunternehmens Dr. Wolff , das mit seinen Haarpflegemarken Alpecin und Plantur sowohl einem Männer- als auch einem Frauenteam im Radsport als Sponsor seinen Namen gibt. „Die Übertragungszeiten nehmen zu, wir sind der Meinung, dass sich das lohnt“, sagt Dörrenberg.
Wenn Freitag an die 109. Austragung des bedeutendsten Radrennens der Welt beginnt, dürfte der Alpecin-Fahrer van der Poel wieder für Aufmerksamkeit sorgen. Auch andere deutsche Unternehmen wie der bayerische Kochfeldhersteller Bora und das Schwarzwälder Badarmaturen-Unternehmen Hansgrohe holen in den kommenden drei Wochen den Großteil des Marketing-Gegenwerts für ihre Millionen-Unterstützung des Radteams ein, wenngleich sie mit dem Giro d’Italia vor wenigen Wochen sogar eine der drei großen Rundfahrten gewonnen haben.
Die Tour schlägt andere Radrennen um Längen
Als eines der größten Sportereignisse der Welt hinter der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen übertrumpft die Tour de France global gesehen nicht nur andere Sportarten, sondern lässt auch die anderen Radrennen von der Aufmerksamkeit deutlich hinter sich. „Der Radsport wandelt sich“, sagt Felix Appelfeller, „Head of Sponsoring“ bei der Agentur Jung von Matt Sports. In der Corona-Pandemie sei Fahrradfahren generell beliebter geworden, zudem gehe die Bedeutung des Radsports eben weit über die TV-Übertragung hinaus. „Viele Einzelsportler haben sich von sportlichen Erfolgen unabhängiger gemacht und sich über die eigenen digitalen Kanäle große Reichweiten aufgebaut“, sagt Appelfeller, dessen Agentur nicht nur Unternehmen, sondern auch Rechteinhaber oder Verbände dazu berät, wie man verschiedene Sportarten und Sponsoring am besten zusammenbringt.
Gerade die jüngeren Zielgruppen informieren sich vor allem über die Social-Media-Kanäle der Teams und Fahrer – dort gibt eine neue Sportlergeneration viel mehr Einblick in das Leben als Radprofi und den Trainingsalltag. Bei jungen Zuschauern gibt es dadurch auch weniger das negative Bild, das sich gerade zu Beginn des Jahrtausends durch die Dopingfälle in vielen Köpfen der Deutschen festgesetzt hat. „Durch das allgemein gestiegene Interesse am Radfahren, die Digitalisierung und die sogenannte ‚clean generation‘ rund um Rick Zabel und Nils Politt wird Radsport zu einem wachsenden und immer spannenderen Sponsoringumfeld“, sagt Appelfeller. Der deutsche Sprinter Rick Zabel erreicht mit seinem eigenen Podcast und Beiträgen auf Instagram mehr als hunderttausend Follower. Er ist sportlich zwar viel weniger erfolgreich, als es sein Vater Erik war, wirbt aber trotzdem wegen seiner Funktion als eine Art „Rad-Influencer“ für mehrere Marken.
In den Fußball fließt das meiste Geld
Fußball ist jedoch nach wie vor mit Abstand das breiteste Feld was die Investitionen angeht, da komme in Europa nichts ran. Wie viel Geld hier fließen kann, unterstreicht die Partnerschaft zwischen dem FC Barcelona und Musikstreaming-Marktführer Spotify . Angelegt für zunächst vier Jahre, soll der Schriftzug der Schweden ab der kommenden Saison die Trikots des Herren- und Frauenteams zieren. Sogar das altehrwürdige Stadion „Camp Nou“ bekommt den Zusatz Spotify verpasst. Der hoch verschuldete Spitzenklub soll dafür mehr als 300 Millionen Euro erhalten. Spotify setzt darauf, über den Deal und gemeinsame Projekte neue Kunden aus der riesigen Barça-Anhängerschaft für sich gewinnen zu können. Es gebe nur sehr wenige Partner mit dieser Größe und Reichweite, hieß es im März zur Bekanntgabe des Deals.
Das stimmt zweifellos. „Wir sagen unseren Kunden aber auch, dass Fußball nicht immer die Antwort ist“, sagt Appelfeller. „Durch die Breite der Fanbasis hat man es mit extremen Streuverlusten zu tun. So kann man potentiell zwar fast jeden erreichen, aber eben nicht unbedingt effizient die Kernzielgruppe.“ Zudem schwirren im Fußball freilich Hunderte Konkurrenzunternehmen umher. „Am Ende ist es für Marken aber vor allem auch wichtig, Haltung zu zeigen. Fans verlangen, unabhängig von der Sportart, zunehmend von Sponsoren, dass diese sich authentisch zu gesellschaftlich relevanten Themen positionieren“, sagt Appelfeller. Bei der Tour de France versuchen das einige Teams und damit auch ihre Sponsoren mit Werbung zu Gleichberechtigung, findet in diesem Jahr doch das erste Mal seit 13 Jahren wieder eine französische Landesrundfahrt auch für Frauen statt. Einen großen Werbeeffekt jenseits der normalen Fans erhofft sich der Radsportzirkus zudem von einer Netflix-Serie, die bei dieser Tour im Stil der Formel-1-Dokumentation „Drive to Survive“ erstmals aufgezeichnet werden soll.
Die Königsklasse des Motorsports hat von der Serie enorm profitiert – besonders mit Blick auf die jüngere Zielgruppe und den US-Markt. Von einem „Gamechanger“ sprach Stefano Domenicali, seines Zeichens der oberste Formel-1-Funktionär, gegenüber der F.A.S. Dass längst nicht alle Fahrer mit der Serie glücklich sind – Weltmeister Max Verstappen spricht nicht mehr mit dem Netflix -Team, da es die Macher im Sinne des Dramas mit der realistischen Darstellung der Geschehnisse nicht immer ganz so genau nehmen –, geschenkt. Die nächste Staffel ist schon in der Mache.
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