Das 600-Milliarden-Luftschloss

Die Regierungspressekonferenzen, die dreimal in der Woche in Berlin stattfinden, bergen schon in normalen Zeiten ein gewisses Enttäuschungspotential. Auf viele Fragen gibt es sich ähnelnde Antworten: Dazu können wir nichts sagen. Wir informieren zu gegebener Zeit. Dafür ist jemand anderes zuständig. Am Montag war die Kunst des lauten Schweigens besonders ausgeprägt. Es ging um das 600-Milliarden-Dollar-Programm, das die sieben führenden Industrienationen auf ihrem Gipfel in Elmau angekündigt haben. 200 Milliarden Dollar wollen die Amerikaner für Investitionen in ärmeren Ländern mobilisieren. Japan steuert 65 Milliarden Dollar bei, Kanada 5,3. Deutschland kann selbst am Tag danach seinen Anteil nicht beziffern. Er könne das „nicht in Heller und Pfennig ausrechnen“, sagte ein Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Der G-7-Gipfel in den bayerischen Alpen ist so aufgeladen wie lange kein internationaler Gipfel. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die Vereinigten Staaten wollen nicht nur ein Zeichen gegen Russland senden, sondern auch dem wachsenden Einfluss Chinas in der Welt etwas entgegensetzen. Das Reich der Mitte hat im Rahmen seiner Neuen-Seidenstraße-Offensive viel Geld in die Infrastruktur afrikanischer Länder, aber auch in Südosteuropa investiert, Häfen, Straßen und Bahnstrecken gebaut. Es hat Minen gekauft, in denen Lithium und Kobalt gefördert werden, zwei Rohstoffe, die Europa für seine Elektroauto-Ziele braucht. Es hat sich von einem Entwicklungsland zu einem „Systemwettbewerber“ entwickelt, wie der Industrieverband BDI konstatiert. Die 600 Milliarden Dollar sollen die Seidenstraße des Westens werden. Bleibt die große Frage: Wie?
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