Gesundheitsfonds soll abgespeckt werden

Dass die Gesundheitspolitik zum Streitpunkt für die neue Koalition wird, bevor die Koalitionsverhandlungen überhaupt offiziell begonnen haben, ist keine Überraschung. Denn die Positionen von Union und FDP zur Gesundheitspolitik haben sich in den vergangenen Jahren in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Am sichtbarsten wird das bei der Gesundheitsprämie: Während die Union damit 2005 noch in den Wahlkampf gezogen ist, ihr aber inzwischen abgeschworen hat, macht sich die FDP - zumindest auf dem Papier - für sie und für einen Komplettumbau des Gesundheitssystems stark.
Die Abschaffung des Gesundheitsfonds steht dabei folglich auf der Prioritätenliste ganz vorn, wie der politisch nach oben strebende gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Daniel Bahr, nicht müde wird zu betonen. Dass es sich dabei nicht nur um leere Wahlkampfparolen oder die Forderung eines Fachpolitikers handelt, machten Parteigrößen wie die als Justizministerin gehandelte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder FDP-Generalsekretär Dirk Niebel klar: "Wir werden in den Koalitionsverhandlungen sicher sehr intensiv darüber zu reden haben", sagte er am Dienstag.
Damit reagierte Niebel auf eine Bemerkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Parteivorsitzende hatte am Vorabend erklärt, der Fonds bleibe: "Ich sage Ihnen auch, dass die Grundstruktur des Gesundheitsfonds aus meiner Sicht nicht angetastet wird." Mit dem Hinweis auf ihre "Sicht" und die zu bewahrende "Grundstruktur" des Fonds schloss Merkel aber Veränderungen nicht aus.
FDP sieht im Gesundheitsfonds ein Symbol der Staatsmedizin
Denn es ist nicht allein die FDP, die ihn als Symbol einer staatlich gesteuerten Gesundheitspolitik ablehnt. Auch die CSU will die maßgeblich von Merkel mit eingeführte neue Inkassostelle für die gesetzliche Krankenversicherung in der heutigen Form nicht behalten. Doch die Bayern gehen nicht so weit wie die FDP, die den Krankenkassen wieder die volle Finanzhoheit geben und Wettbewerb (wie bis Ende 2007) über Beitragssätze ausfechten will. Der CSU würde es reichen, wenn der Fonds "regionalisiert" wird. Parteichef Horst Seehofer ließ erst kürzlich verlauten, man müsse den Gesundheitsfonds an einigen Stellen umbauen, damit die CSU dauerhaft zu ihm stehen könne. "Wir brauchen eine stärkere Regionalisierung", auch bei den Beitragssätzen. Statt auf einen Einheitsbeitrag setzt Seehofer auf bundesweit differierende Landeskassenbeitragssätze. Denn die CSU hat wenig Lust, mit bayerischen Beitragsgeldern via Gesundheitsfonds andere, möglicherweise rot-rot regierte Länder zu subventionieren.
Zudem will die CSU über eine (Re-)Regionalisierung der Gesundheitspolitik wieder einen größeren Einfluss auf Ärztehonorare und Vertragsangebote der Krankenkassen bekommen. Deshalb wird sie Merkel unter Druck setzen, den Fonds umzubauen. Auch wenn der faktisch nur eine Geldsammel- und -verteilstelle ist, gilt er in CSU und FDP als Chiffre für Staatsmedizin, für wachsenden Einfluss des Bundes, für eine Beschränkung der Selbstverwaltung der Ärzte und Kassen. In der CDU wird das hingegen nicht so laut ausgesprochen, immerhin hat Merkel den Fonds selbst eingeführt.
Konkrete Regionalisierungs-Modelle liegen noch nicht vor
Auch wenn es heute unwahrscheinlich erscheint, dass der Fonds abgeschafft wird, und konkrete Modelle für eine Regionalisierung nicht auf dem Tisch liegen, so spricht doch die Vehemenz der Ankündigungen im Wahlkampf dafür, dass der Fonds modifiziert wird. Das dürften FDP und CSU ihrer Wählerklientel, darunter vielen Ärzten, schuldig sein. Auch deshalb hat die seit Jahren verschleppte Reform der Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte gute Chancen, verwirklicht zu werden.
An anderer Stelle sind Änderungen am Fonds notwendig. Die Kassen verlangen sie schon lauthals. Denn so, wie der Fonds auf dem Papier steht, ist er kaum funktionsfähig. Denn der Zusatzbeitrag, den eine Kasse erheben kann, wenn die Zuweisungen nicht reichen, ist auf 1 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt. Kassen mit vielen "armen" Mitgliedern stoßen da leicht an die Grenzen der Finanzierung. Eine Möglichkeit wäre die Kofinanzierung aus dem Fonds über Steuermittel, die die Union ausweiten will. Eine andere Option wären höhere Zusatzbeiträge, ein Wegfall der Belastungsgrenze oder die gerade von den Liberalen oft verlangte "Privatisierung" von Leistungen wie Zahnersatz oder Krankengeld.