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Longcovid-Patienten erholt

Wirken die Impfstoffe auch als Medikament?

Von Joachim Müller-Jung
27.02.2021
, 13:57
Auch der russische Impfstoff „Sputnik V“ steht vor der Zulassung in Europa. Bild: dpa
Es wäre ein Grund mehr, die Covid-19-Impfungen zu forcieren: Berichte aus Übersee schüren die Hoffnung, dass sich Folgeschäden der Krankheit schon nach der ersten Impfdosis bessern.

Es ist ein Hoffnungsschimmer, vielleicht auch nur ein schönes Gerücht aus Amerika, dem Land, das mit 2,2 Millionen Impfungen täglich mittlerweile an der Spitze der verabreichten Corona-Impfungen steht: Kuriert der Impfstoff die Langzeitfolgen der Covid-19-Krankheit? Die weltweit geachtete Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale University, eine Spezialistin für die weitreichenden Folgen von Sars-CoV-2-Infektionen, hat in den sozialen Medien jedenfalls mit einem bemerkenswerten Kommentar für viele Reaktionen gesorgt: „Vielversprechend“, sei das, was immer mehr Betroffene berichteten – „faszinierend“.

Zuvor hatte Daniel Griffin, ein erfahrener Kliniker, berichtet, dass sich schätzungsweise 40 Prozent der sogenannten Longcovid-Patienten, also solche mit Langzeitsymptomen über mehrere Monate, schon nach der ersten und der zweiten Dosis deutlich besser fühlten. Zu den häufigen Symptomen von Longcovid zählen extreme Erschöpfung, wiederkehrende Kopf- und Körperschmerzen, Atemprobleme, Konzentrations- und Gedächtnisschwächen, aber auch Haarausfall und Hörstörungen.

Seitdem der Nestor der Corona-Wissenschaften im Land, Anthony Fauci, die Ergebnisse einer Studie der University of Washington als „alarmierend“ bezeichnete, in der die Mediziner eine vorläufige Bilanz des Phänomens präsentierten, wächst die Sensibilität. 30 Prozent der klinisch behandelten Covid-19-Patienten würden krank bleiben. Sie berichten über Folgesymptome, von denen mindestens eines mehr als neun Monate anhielt.

Tatsächlich spielt in den Vereinigten Staaten wie in Europa die Verbreitung von Longcovid bei vermeintlich „genesenen“ Patienten keine Rolle, wenn es um das tägliche Ritual geht, den jeweils neuesten Zwischenstand des Pandemiegeschehens wieder zu geben: Umso mehr spielen die Spätschäden, je weiter sie verbreitet sind, in den sozialen Medien wie Twitter unter dem Hashtag #Longcovid eine Rolle. Und von hier gingen auch die ersten Berichte über die hoffnungsvollen Impfeffekte aus. Mara Gay, Redaktionsmitglied der „New York Times“, war eine der ersten, die über ihre eigenen Erfahrungen als Covid-19-Patientin nach der jüngst erhaltenen Impfung berichtete. Noch sei es „anekdotisch und früh“, um zu sagen, ob es mehr als Einzelfälle seien, aber offenbar fühlten sich „viele Covid-Überlebende deutlich besser nach der ersten Impfgabe“.

Longcovid-Patient beim Lungentest in der Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl Bild: dpa

Viele ihrer Zehntausenden Follower stimmten zu, mahnten aber auch zur Vorsicht. Spätestens aber, seitdem die Immunologin Iwasaki und Eric Topol, einer der aktivsten netzaffinen Corona-Mediziner vom kalifornischen Scripps-Institut, sich wie elektrisiert zeigten von den Berichten, herrscht die Hoffnung, dass die Impfstoffe therapeutische Effekte haben könnten. „Wenn sich das in prospektiven Studien bestätigen sollte, wäre das ein großer Schritt vorwärts in der Behandlung von Longcovid“, twitterte Topol.

Dass die Spezialisten wüssten, wie der zufällige „Behandlungserfolg“ immunologisch zu erklären ist, wäre allerdings zu viel gesagt. Ideen machen die Runde, die in konkrete Forschungsarbeiten münden könnten. Am ehesten noch wagte sich Akiko Iwasaki mit einer These vor: Möglich, schreibt sie, dass die Antikörper und T-Immunzellen, die durch die Impfung im Körper erzeugt und durch das Blut in die Organe transportiert werden, die nach der akuten Krankheitsphase möglichen Viren-Reservoire gewissermaßen nachträglich eliminieren – den Körper gleichsam reinigen von befallen Zellen wie etwa im Nervensystem, wo sich Sars-CoV-2-Viren nachweislich einnisten können. Wäre es so, gäbe es einen Grund mehr, die Verabreichung der Impfdosen zu beschleunigen.

Quelle: FAZ.NET
Joachim Müller-Jung
Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.
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