Patient 1, eine Warnung und der Zoff der Ärzte
Das Erste, was Camilla Rothe machte, nachdem sie am Abend des 27. Januar die Diagnose des ersten bekannten Corona-Falls in Deutschland erhalten hatte, war, schnell ein paar E-Mails rauszuschicken. Sie warnte Kollegen, Tropenmediziner und Infektiologen: Zieht euch bloß Schutzkleidung an! Das ganze Programm! Seid vorsichtig! „Wir dachten ja damals zunächst“, sagt sie heute, „das ist so wie bei Sars. Nur mit Symptomen wie Husten oder Schnupfen steckt man andere an. Man sieht es den Leuten also an, dass sie infektiös sind.“
Dass es diesmal offenbar anders ist, hat Rothe, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), am 27. Januar in Erfahrung gebracht. Sie selbst hatte dem deutschen Patienten 1, einem 33 Jahre alten Mitarbeiter der bayerischen Autozulieferer-Firma Webasto, an diesem Tag den Abstrich entnommen, als er sich als Corona-Verdachtsfall im Tropeninstitut vorstellte. Am Wochenende hatte er Grippesymptome, am Montag, den 27. Januar, erfuhr er dann von der Corona-Infektion seiner chinesischen Kollegin – mit der er Tage zuvor in einem Workshop gesessen hatte. Rothe fragte ihn also: Hatte Ihre Kollegin Husten oder Schnupfen? War sie heiser? Wirkte sie krank? Seine Wahrnehmung: Nein, sie war so wie immer. Rothes Vermutung: Der Mann wird bloß eine Erkältung haben. Es war Januar, jeder Zweite hatte Schnupfen. Als abends dann das positive Testergebnis des Mannes kam und die Chinesin als Überträgerin feststand, die vom 20. bis zum 22. Januar auf Dienstreise in Bayern war und erst auf dem Rückflug nach China Fieber bekommen hatte, wurde ihr schlagartig bewusst: „Man kann um die halbe Welt nach Deutschland fliegen, einen Jetlag wegstecken, stundenlang arbeiten, weder Husten noch Schnupfen haben und doch hochansteckend sein.“
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