Wie Aids zur stillen Seuche wird
Michael McFarland Campbell wusste, dass er sich mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) infizieren kann. Er kannte Übertragungswege und das als homosexueller Mann besonders hohe Ansteckungsrisiko. Trotzdem schlief er mit Fremden, ohne Kondome zu benutzen. „Ich hatte Depressionen und fand einen schnellen und einfachen Weg, mich besser zu fühlen, indem ich ziemlich willkürlich mit Männern schlief.“ Über Verhütung habe er sich keine Gedanken gemacht, „weil es mir einen Kick gab“. So offen wie er sprechen nur wenige Menschen in Irland über ihre HIV-Infektion. Der 42-Jährige ist einer von 7200 gemeldeten Bewohnern der Insel, die Ende 2018 mit HIV lebten. Im selben Jahr gab es in dem Land 523 Neudiagnosen, ein Anstieg von sieben Prozent zum Jahr davor. Laut des European Centre for Disease Prevention and Control ist Irland damit eins der wenigen europäischen Länder mit einem erheblichen Anstieg an HIV-Infektionen.
Dieses Wachstum muss jedoch differenziert betrachtet werden, sagt Adam Shanley von „HIV Ireland“. Die Nichtregierungsorganisation unterstützt Betroffene und bietet Tests und Informationen an. Denn ein Teil dieser Menschen wurde nicht neu diagnostiziert, sondern lediglich zum ersten Mal in Irland registriert. Demzufolge immigrieren viele Homo- und Bisexuelle aus Gebieten wie Latein-amerika, die besonders stark von der Epidemie betroffen sind. Die Statistiken bestätigen Shanleys Annahme: Fast 90.000 Menschen wanderten allein in den Jahren 2018/19 nach Irland ein. Von den Neudiagnosen im Jahr 2018 sind heute 21 Prozent Menschen, die in Irland geboren wurden, 71 Prozent stammen ursprünglich aus dem Ausland, größtenteils aus Lateinamerika und der Karibik. Die Herkunft der restlichen acht Prozent ist nicht bekannt. Allein diese Diversität erkläre die hohen Infektionszahlen jedoch nicht, so Shanley.
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