Der Knotentrick aus dem Quantenhut

Einen Schuh zu binden ist recht leicht. Schon schwieriger wird es, aus einem Stück Leine einen Zauber- oder einen richtigen Seemannsknoten zu knüpfen. Aber Knoten sind nicht nur etwas für Segler und Zauberer, auch Mathematiker und Physiker beschäftigen sich mit diesen Gebilden. Nur das für sie ein Knoten nur dann ein richtiger Knoten ist, wenn die beiden losen Enden fest miteinander verbunden sind. Solche Knoten gelten als äußerst stabil und können nur mit einem gezielten Scherenschnitt gelöst werden.
Ohne Trick lassen sich diese dreidimensionalen verzwirbelten Gebilde allerdings nur schwer knüpfen. Was mit einer Schnur oder einem Faden nicht gelingt, haben nun amerikanische und finnische Wissenschaftler offenkundig mit einer besonderen Form von Materie zuwege gebracht. Sie haben zahlreiche stabile Knoten aus Atomen geknüpft, die sie bis an den Nullpunkt gekühlt und einem Magnetfeld ausgesetzt hatten.

In der Mathematik werden Knoten definiert als topologische Strukturen von in sich geschlossenen Kurven oder Bändern in einem dreidimensionalen Raum. Seit vielen Jahren vermutet man, dass auch in quantenphysikalischen Systemen solche Knoten existieren könnten. Einfache Varianten in Form von zweidimensionalen magnetischen Wirbeln, sogenannten Skyrmionen, hat man bereits vor einiger Zeit auf Oberflächen erzeugen können.
Auch ist es Forschern aus Glasgow vor fünf Jahren gelungen, einfache Schlaufen und Kleeblattknoten mit Laserstrahlen zu formen, die von rauhen Oberflächen reflektiert und auf besondere Weise zur Überlagerung gebracht wurden. Doch echte dreidimensionale Quantenknoten hat man bislang nicht knüpfen können. Das Kunststück ist nun erstmals den Physikern um David Hall vom Amherst College in Massachusetts und Mikko Möttönen von der Universität Aalto in der gleichnamigen finnischen Stadt gelungen.
Atome vereint am Nullpunkt
Als Medium nutzen die Forscher ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat. Dabei handelt es sich um einen besonderen Zustand der Materie, der allein den Gesetzen der Quantenphysik unterliegt. Zur Herstellung des Kondensats hatten Hall und seine Kollegen zunächst ein Gas aus rund 100 000 Rubidiumatomen mit magnetischen Feldern und Laserstrahlen eingefangen und an einem Ort in der Schwebe gehalten. Anschließend kühlten sie die Atomwolke bis an den absoluten Temperatur-Nullpunkt ab. Unter diesen extremen Bedingungen kamen die Atome äußerst langsam voran und verloren allmählich ihren Teilchencharakter. Es begannen die Welleneigenschaften zu dominieren. Die Atome kondensierten schließlich in einem gemeinsamen makroskopischen Quantenzustand niedrigster Energie. Die Rubidiumatome in der Wolke waren nicht mehr zu unterscheiden.

Anschließend setzten sie das Kondensat einem Magnetfeld aus, das die magnetischen Momente und damit die Spins der Atome ausrichtete. Um einen Knoten zu knüpfen, ließ man auf das Kondensat ein weiteres, aber diesmal schnell rotierendes, inhomogenes Magnetfeld wirken. Die Richtung der Feldlinien variierte so rasch, dass die magnetischen Momente der Atome nicht nachkamen, sich entsprechend auszurichten. Die Atome wirbelten im Kreis umher, und ihre Wellenpakete bildeten etwa nach fünfhundert Mikrosekunden geschlossene und in sich verschachtelte, knotenförmige Strukturen.
Quantenknoten ohne Anfang und Ende
Mit dieser Magnetfeldtechnik, die die Forscher bereits vor einem Jahr zur Herstellung eines magnetischen Monopols genutzt hatten, erzeugte man einfache Knoten, die zwei miteinander verknüpften Bändern glichen, aber auch torusartige Gebilde, die an Orbitalemodelle aus der Atomphysik erinnerten. „Nachdem wir den ersten Quantenknoten erzeugt hatten, wurden wir immer besser“, sagt David Hall. „Inzwischen haben wir mehrere hundert solcher Knoten erzeugt.“ Dass es sich bei den verwirbelten Gebilden tatsächlich um die gesuchten Quantenknoten handelte, zeigten mikroskopische Aufnahmen, auf denen die Verteilung der Rubidumatome zu sehen war. Allen Knoten war gemeinsam, dass sie keine losen Enden besaßen, wie man es von topologisch stabilen Knoten erwartet, schreiben Hall und seine Kollegen in der Zeitschrift „Nature Physics“..
Ganz so stabil, wie man vermuten möchte, waren die Gebilde allerdings nicht. Sie hatten nur etwa für 100 Millisekunden Bestand, bevor sie sich wieder auflösten. Der Grund für die Kurzlebigkeit ist vor allem die Empfindlichkeit der experimentellen Anordnung. Schon geringste magnetische Streufelder, hervorgerufen von einer Schere oder einem Schraubenzieher, genügen, die magnetische Ordnung der Atome und so die Knoten zu zerstören. Wozu die verdrillten Gebilde nützlich sein könnten, darüber sind sich die Forscher noch nicht einig. Möglicherweise ließen sich Quantenknoten als Datenspeicher und Informationsträger nutzen, ganz nach dem Vorbild der alten Inkas. Die Ureinwohner Südamerikas verwendeten zum Speichern und Übermitteln von Nachrichten ein System, bei dem sie auf spezielle Weise Knoten in ein Seil knüpften.