Und wieder behält Einstein Recht

Dass im Zentrum der Milchstraße ein sehr massereiches Schwarzes Loch ruht, vermuten Astronomen schon sehr lange. Seit Jahren verfolgen sie dort aufmerksam eine Gruppe von Sternen, die sich auf extrem exzentrischen, also stark von einer Kreisform abweichenden Bahnen in dieser Region bewegt. Aus ihren Orbits lässt sich schließen, dass die zentrale Masse, die sie umkreisen, rund vier Millionen Sonnenmassen beträgt. Auf so eine enge Raumregion komprimiert kann es sich dabei eigentlich nur um ein Schwarzes Loch handeln.
Dank der neuen Technologie des Instruments „Gravity“, das am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) betrieben wird, konnten Forscher in einer internationalen Kollaboration nun die Bahn eines der Sterne, S2, besonders genau vermessen. Sie beobachteten, wie er im Mai 2018 auf seiner Bahn sehr nah am Schwarzen Loch vorbeiraste und dabei kurzfristig eine Geschwindigkeit von 25 Millionen Kilometern pro Stunde erreichte – das sind fast drei Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Dabei näherte er sich dem Schwarzen Loch auf weniger als 20 Milliarden Kilometer an - dort ist aufgrund des starken Gravitationsfelds zu erwarten, dass die Allgemeine Relativitätstheorie die Newtonsche Theorie der Gravitation ablöst.

Auf diese Annäherung hatten die Forscher lange gewartet. Denn sie hatten zwar bereits 2002 einen Vorbeiflug von S2 am Schwarzen Loch beobachtet, damals aber noch mit einer weit weniger ausgereiften Messtechnologie. So gelang es den Astronomen dieses Mal, die Gravitationsrotverschiebung des Sterns S2 zu messen, die sein Licht gemäß Einsteins Theorie erfährt, wenn er das starke Schwerefeld des Schwarzen Lochs passiert. Licht, das von einem Stern, der sich in einem solchen Gravitationsfeld befindet, ausgesendet wird, verliert Energie, wenn es dieses verlässt. Dabei wird es nicht etwa langsamer, denn die Lichtgeschwindigkeit ist konstant. Stattdessen ändert das Licht seine Wellenlänge, es erscheint röter.

Das Licht wird röter
Allerdings haben die Forscher diesen Effekt nicht direkt gemessen. „Wir haben die Summe der Gravitationsrotverschiebung und eines besonderen Dopplereffekts ermittelt, der zusätzlich durch Effekte der speziellen Relativitätstheorie verursacht wird“, erläutert Stefan Gillessen, vom Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik und Mitglied der Gravity-Kollaboration. Bewegt sich ein Objekt quer zu uns besonders schnell, erscheint sein Licht demnach ebenfalls ins Rote verschoben. Dies bezeichnet man als den transversalen Dopplereffekt.

Beide Effekte, deren Auswirkung unter den vorliegenden Bedingungen praktisch gleich groß ist, sehen die Forscher in ihren Messungen kombiniert. Doch selbst dieser Wert liegt nur im Prozentbereich der tatsächlich gemessenen Rotverschiebung. Diese dominiert nämlich die gewöhnliche Dopplerverschiebung, die das Sternenlicht allein schon wegen der Radialgeschwindigkeit entlang seiner Bahnbewegung erfährt.
Um ein Vielfaches gesteigerte Genauigkeit
Hier kommt die Technologie von Gravity ins Spiel. Dank des neuen Instruments konnten die Forscher nun die Bahnkurve des Sterns wesentlich genauer bestimmen als zuvor und dabei den Wert der normalen Dopplerverschiebung unabhängig bestimmen. Die Differenz zwischen der gemessenen Rotverschiebung und der so ermittelten normalen Dopplerverschiebung entsprach genau dem theoretischen Wert für Gravitationsrotverschiebung und transversalen Dopplereffekt.
Für ihre präzisen Bahnmessungen haben die Astronomen mit Gravity die vier 8-Meter-Teleskope des VLT der Eso in Chile zu einem einzigen Teleskop zusammengeschlossen. Mittels des Prinzips der Interferometrie lässt sich so das Auflösungsvermögen eines 120-Meter-Teleskops erreichen. „Das verbessert die Genauigkeit bei Positionsmessungen bis zu einem Faktor 15“, erläutert Gillessen. Zusätzlich gleicht Gravity mittels adaptiver Optik den Effekt der Luftunruhe aus. Vor allem aber, und das ist das an sich Neue, verwendet Gravity erstmals eine Technologie, mit der sich das aus den vier Teleskopen zusammengeführte Licht stabilisieren lässt.
Nun wollen die Astronomen in naher Zukunft mit Gravity noch weitere Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie in der Nähe des galaktischen Schwarzen Lochs nachweisen. So beobachten sie derzeit beispielsweise, ob sich die Bahnorientierung von S2 langsam verändert. Dieser Effekt ist aus dem Sonnensystem als Periheldrehung des Merkur gut bekannt und wurde dort schon bald nach seiner Vorhersage durch die Allgemeine Relativitätstheorie bestätigt.
„Außerdem hoffen wir durch Gravity noch auf Sterne zu stoßen, die sich noch näher am Schwarzen Lochs befinden und die wir bisher nicht auflösen konnten“, so Gillessen, „Dort wären die Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie dann noch stärker.“